"Herz -- irgendwo."
"Hirn -- nirgendwo."
"Herz."
"Hände."
"Irgenwo."
"Hirn."
"Hände."
"Nirgendwo." ...
So beginnt die Hörspielbearbeitung des Dramaturgen und Drehbuchatoren Michael Farin (DER TOTMACHER, 1995, Romuald Karmakar), produziert vom Bayerischen Rundfunk, bei den New York Festivals mit der Silver World Medal und von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste in Frankfurt als Hörspiel des Jahres 2001 ausgezeichnet. Die Produktion wurde schon von mehreren ARD-Sendern ausgestrahlt und ist jetzt auch auf CD erschienen.
Das Hörspiel ist eine Adaption des Romans zum Film von Thea von Harbou, gekürzt auf die Länge von etwa einer Stunde (ähnlich wie Farins vorherige Hörspielbearbeitung zu Norbert Jacques' DR. MABUSE, DER SPIELER, WDR 1997). Farin nimmt Fragmente des Romantextes als Ausgangspunkt, reiht so verschiedene Motive des Films aneinander und schafft ein Hörspiel-Gedicht ganz eigener Prägung. Die Musik ist von Kalle Laar und Zeitblom, die Regie von Bernhard Jugel, mit denen Farin schon bei den Hörspielproduktionen Das Warheads-Oratorium (1997) und Amokkopf (2001) zusammengearbeitet hatte.
Farin hat von Harbous eigenartigen Stil beibehalten, aber ihren pompösen Text radikal verkürzt -- gut so, denn der komplette Romantext als womöglich sechsstündige Hörspiel-Fassung wäre sicher kaum zu ertragen! Wie hatte doch der Filmhistoriker Cornelius Schnauber, als er Fritz Langs Stil in seinen SPINNEN-Romanen mit dem von Thea von Harbous' METROPOLIS verglich, am Ende trocken bemerkt: "Der Langsche Stil und Text ist mir lieber." [Cornelius Schnauber: Fritz Langs Roman und gleichnamiger Film. In Fritz Lang: Die Spinnen. München: Iafrate 1987, S. 152-168] Andererseits hat Lotte Eisner in einem 1974 geführten, kürzlich veröffentlichten Interview darauf hingewiesen, dass Thea von Harbou den Monolog von Peter Lorre in M (Kann nicht -- muss...) ganz allein geschrieben habe und daher keine verachtenswerte Autorin sei. [FilmGeschichte Nr. 16/17, Juni 2002, S. 87-94]. So lässt auch Farin von-Harbou-Passagen, die funktionieren, intakt, mit leichten Änderungen. Hier ein kleiner Vergleich von Buch- und Hörspielfassung:
rot = nur im Buch [Ullstein-Buch 1978, S. 40]
blau = nur im Hörspiel [8. Titel, ab 2:31]
"Der Arbeiter Nr. 11 811, der Mann, der in einem gefängnisähnlichen der Unterstadt in einem schäbigen Hause unter der Tiefbahn von Metropolis wohnte, der keinen anderen Weg kannte kennt als von dem seinem Schlafloch, in dem er hauste, zur Maschine, und von der Maschine zurück in sein Schlafloch, der sah dieser Mann sieht zum ersten Male in seinem Leben das Weltwunder von Metropolis: die in Millionen und Abermillionen von Lichtern erstrahlende nächtliche Stadt."
Das Hörspiel enthält auch (gekürzt) das Gespräch zw. Joh Fredersen und seiner gelähmten Mutter, das im Roman vorkommt, aber im Film fehlt:
"Um wen weinst du, Mutter?" fragte er. "Um Freder oder um mich?"
"Um euch beide", sagte die Mutter, "um euch beide, Joh."
[Ullstein-Buch, S. 152, Hörspiel 15. Titel, ab 2:59]
Andere Stellen des Buches werden vollkommen übersprungen, z.B. der Ausflug Georgis (des ehemaligen Arbeiters Nr. 11 811) nach Yoshiwara [Kapitel 6, Ullstein-Buch S. 71-83] oder Josaphats Absprung aus dem Flugzeug [Kapitel 9, S. 116-122]. Das Action-orientierte Ende: die Rettung der Kinder aus der ertrinkenden Stadt und Freders Kampf mit Rotwang -- fehlt gänzlich. Stattdessen ist die letzte Szene ein Dialog Freders und Marias, lange nach den katastrophalen Ereignissen in Metropolis, als erwachten sie aus einem bösen Traum.
Farins Hörspiel ist wahrhaft postmodern: Man kann es als außergewöhnliches und verwirrendes Hörerlebnis inhalieren, ohne jemals etwas von METROPOLIS gehört zu haben. Aber eigentlich kann man es nur verstehen, wenn man sich an die Filmbilder, -motive und -handlungen erinnert, auf denen es basiert und die es z.T. nur andeutet. Das Vergnügen besteht dann darin zu erkennen, auf welche Weise METROPOLIS hier neu zusammengesetzt wurde.
filmhistoriker.de,
edited by olaf brill.
Last update (this page): 21 Jul 2004.
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