BOOK REVIEW

Wolfgang Jacobsen, Werner Sudendorf (eds.):
Metropolis
Ein filmisches Laboratorium der modernen Architektur
A Cinematic Laboratory for Modern Architecture

Stuttgart: Edition Axel Menges 2000
240 pages, bilingual German/English, many photos
ISBN 3930698854

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    Metropolis photo book

Bereits im letzten Jahr ist dieses großformatige Fotobuch zu METROPOLIS erschienen, das endlich viele der Bilder präsentiert, die der Standfotograf Horst von Harbou am Set aufgenommen hatte. Der Hauptteil des Buches besteht aus zwei großen Sektionen mit seinen Fotos:

  1. Bilder von den Dreharbeiten, und
  2. Standfotos von Szenen aus dem Film, die die Herausgeber etwa in der Film-Reihenfolge zusammengestellt haben (Standfotos sind Bilder, die der Standfotograf direkt am Set schießt von Posen, die auch im Film vorkommen. Kameraposition und Haltung der Schauspieler können sich von den gefilmten Bildern unterscheiden).

Die Bilder sind selbstverständlich großformatig wiedergegeben, so daß es eine Freude ist, durch das Buch zu blättern. Besonders schön sind die Bilder von den Dreharbeiten: wir sehen Tischlerarbeiten zum Aufbau der Wolkenkratzer; Fritz Lang mit Megaphon; Karl Freund auf dem Kamerawagen; Fritz Lang demonstriert eine Szene mit Heinrich George und Brigitte Helm; Brigitte Helm während einer Drehpause im Roboterkorsett, mit einem Strohhalm aus einem Glas trinkend, das ihr gereicht wird. Das alles ist wunderbar und macht dieses Buch zu einem Muß für Freunde des Films.

Die verwendeten Bilder stammen aus den Sammlungen

  1. des Filmmuseums Berlin (130),
  2. dem Nachlaß des deutschen Emigranten Hans Taussig aus dem National Film and Sound Archive, Canberra, Australien (45),
  3. der österreichischen Nationalbibliothek (4) und
  4. dem Deutschen Filmmuseum, Frankfurt/Main (3).

Schade, daß nicht auch noch die Bilder der Cinémathèque Française verwendet werden konnten, in deren Archiv sich drei Alben mit METROPOLIS-Bildern aus dem Besitz von Fritz Lang befinden. Überall in Berlin kann man Postkarten kaufen mit Bildern aus dieser Sammlung, darunter auch einige hervorragende Bilder, die im vorliegenden Buch nicht vorkommen, z.B.: Fritz Lang steht auf einem Podest und ruft mit dem Megaphon hunderten von glatzköpfigen Statisten Anweisungen zu; Fritz Lang sitzt beim Dreh einer Szene mit Gustav Fröhlich vorne auf dem Kamerawagen (nicht ganz so gute Variante im Buch S. 58 unten); Fritz Lang unterweist Brigitte Helm, die im Tanzkostüm der falschen Maria halbnackt vor ihm steht, die Arme und ihr rechtes Bein hebend und angestrengt aber hinreißend aussehend. Ich weiß nicht, wie es dazu gekommen ist, daß diese Bilder aus der Cinémathèque Française keine Verwendung fanden, vielleicht müssen wir auf deren METROPOLIS-Buch warten. Insgesamt zeigt dies die schwierige Forschungslage, die dadurch eingetreten ist, daß Sammlungen zu diesem bedeutenden Film über die ganze Welt verstreut sind. Forscher und Herausgeber solcher Bücher müssen sich im Grunde überall umsehen, nach Archivmaterialien und Abdruckrechten fragen, und hinterher taucht garantiert noch in einem anderen Teil der Welt eine wichtige Quelle auf.

Zu den im Buch abgedruckten Bildern gehören außerdem ein paar von Erich Kettelhuts Architektur- und Aenne Willkomms Kostümskizzen (leider nur in schwarzweiß). Und schließlich gibt es da noch die Texte, die die Publikation abrunden:

  1. ein Essay der Herausgeber, die ein kleines Resümee der METROPOLIS-Geschichte ziehen. Der Text geht auf die Entstehungsgeschichte ein, mit vielen Auszügen aus zeitgenössischen Besprechungen, und legt besonderes Augenmerk auf die Verbindung von Film und Architektur, für die METROPOLIS natürlich der grundlegende Film ist.
  2. eine Inhaltsangabe von Martin Koerber, dem Restaurator der neuesten METROPOLIS-Rekonstruktion, die im Februar 2001 auf der Berlinale uraufgeführt wurde. Neben dem erhaltenen Film beschreibt Koerber auch die im erhaltenen Material fehlenden Szenen. Er führt dafür vier Quellen an: 1. die Zensurkarte, 2. das erhaltene Drehbuch-Exemplar, 3. den Huppertz-Klavierauszug, und 4. ein Protokoll des Films von Enno Patalas (damals noch unveröffentlicht). Dieser Text ist sicherlich durch die inzwischen erfolgte Buchveröffentlichung des sehr detaillierten Patalas-Protokolls überholt (siehe übernächste Besprechung).
  3. ein Aufsatz von Martin Koerber zur Überlieferung und Rekonstruktion des METROPOLIS-Films, über die am Film vorgenommenen Veränderungen und die Versuche, diese wieder rückgängig zu machen. Koerber spürt sehr ausführlich der Verbreitung der drei Metropolis-Originalnegative (Ufa, Paramount, Export) nach, von denen alle späteren Kopien und natürlich auch restaurierte Fassungen abstammen. Seine eigene neue Rekonstruktion orientiert sich in Schnittfolge, Plazierung der Zwischentitel usw. an Enno Patalas' Münchner Fassung, und unterscheidet sich in der Auswahl des Ausgangsmaterials: Patalas hat das Ufa-Originalnegativ verwendet, Koerber nimmt soweit es geht das Paramount-Originalnegativ aus dem Bestand des Bundesarchivs, und er nennt für diese Wahl zwei Gründe: 1. die bessere fotografische Qualität, und 2. sind er und sein Team inzwischen zu der Auffassung gelangt, daß das, was von dem Ufa-Originalnegativ noch übrig war, nicht aus Aufnahmen erster Wahl bestand. Das Original ist wohl mit der Zeit verschlissen worden, und so ist bei vielen Szenen das Kameramaterial durch Kopien aus Dupnegativen ersetzt worden, bei anderen Szenen ist das von Fritz Lang ausgewählte Material durch vorher ausgemusterte Aufnahmen ersetzt worden, so daß tatsächlich nicht die deutsche Ufa-, sondern die amerikanische Paramount-Fassung die "originalere" Wahl ist, bei der manchmal sogar deutlich bessere schauspielerische Leistungen zu sehen sind.
  4. außerdem gibt es noch Anmerkungen zu den Texten, eine Chronik zur Entstehungsgeschichte und umfangreiche bibliografische und filmografische Daten, zusammengestellt von Yvonne Rehhahn, deren Bibliografie auch Quellen zur Filmmusik, zur Moroder-Fassung, zum METROPOLIS-Musical von 1989 und sogar zwei Internet-Quellen und den Superman-Comic von 1996 enthält.

Der textliche Höhepunkt des Buches ist der Koerber-Aufsatz zur Überlieferungsgeschichte des Films, der zweifellos ein oft zitierter Standardtext werden wird. Koerber hat ihn geschrieben während der laufenden Arbeiten an der neuen Rekonstruktion, der Text ist also, selbst wenn er einmal durch neue Entdeckungen überholt werden sollte, selbst ein zeitgeschichtliches Dokument.

OLAF BRILL
12 Feb 2001
updated 05 Mar 2001

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filmhistoriker.de, edited by olaf brill.

Last update (this page): 21 Jul 2004.

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