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Laurent Jullier
Star Wars
Anatomie einer Saga

(Frz. Orig.: Star Wars. Anatomie d'une saga)
Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH 2007
344 pages, German text
ISBN 9783896695574

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    Star Wars - Anatomie einer Saga

Abstract in English: A book about George Lucas' STAR WARS films, but without ramblings about the film's production or gossip about their stars. Jullier's study is an exemplary film analysis, anatomising the six films in detail and showing what they really are: a post-modern text, characteristic of which is not the explosions and special effects but the narrative.

In Barry Salts 1983 erschienenen Buch Film Style and Technology findet sich die Bemerkung, in der Filmliteratur gebe es oft Behauptungen wie: "Fritz Lang verwendete in seinen Filmen hauptsächlich Totalen", die zwar weitgehend geglaubt, aber nie wirklich geprüft werden -- und sich bei näherem Hinsehen dann als falsch herausstellen (wie das für die Aussage über Fritz Lang tatsächlich der Fall ist). Salt plädierte dafür, bevor man solche Aussagen tätigt und auf ihrer Grundlage womöglich zu weit reichenden Schlussfolgerungen gelangt, zunächst doch einmal das Forschungsobjekt genau zu untersuchen. Das ist die Aufgabe der Filmanalyse: das Beschreiben, Zerlegen und Vermessen der untersuchten Filme, um erst davon ausgehend Aussagen darüber zu treffen, was an diesen Filmen besonders und was gewöhnlich ist, welche Bedeutung sie haben könnten, warum sie erfolgreich waren und ob sie eventuell Ideologien transportieren.

Laurent Julliers Buch über die STAR-WARS-Filme ist ein Musterbeispiel einer solchen wissenschaftlichen Analyse. Wir erfahren darin keine Klatschgeschichten über die Produktion, Mutmaßungen darüber, welche Gedanken George Lucas beim Schaffen dieser Werke bewegt haben mögen oder Schwärmereien, wie großartig ihm das alles gelungen sei. Jullier macht von Anfang an klar, dass der Untersuchungsgegenstand zunächst die Filme selbst sind, die mit dem Seziermesser zerlegt und dann mit der Lupe erforscht werden: "Auf den folgenden Seiten bedeutet analysieren, von dem Ergebnis der Entscheidungen auszugehen, die diejenigen getroffen haben, die den Film gemacht haben. Es bedeutet nicht, zu den Ideen zurückzukehren, die sie damals hatten, sondern deren Resultat zu kommentieren. Das heißt: Sehen, was STAR WARS bedeuten kann, nicht, was es bedeuten soll." (S. 13)

Jullier konzentriert sich dabei auf die sechs Filme der beiden Filmtrilogien, die zw. 1977-1983 und 1999-2005 uraufgeführt wurden. Werke des "Erweiterten Universums" (Romane, Comics, Fanfilme usw.) werden in einem abschließenden Kapitel kurz, jedoch kenntnisreich erläutert. Der Hauptteil des Buches gliedert sich in zwei Abschnitte: eine interne und eine externe Analyse der sechs Filme.

In der internen Analyse beschreibt Jullier die Figuren und ihre Beziehungen, den Aufbau der Erzählung und den Stil der STAR-WARS-Filme. Auf welche Weise z.B. steuert die Erzählweise die Erwartungshaltung des Zuschauers? Wo entstehen Spannung, wo Überraschungseffekte? Entstehen Peripetien (das sind die dramaturgischen Wendepunkte der Handlung) durch Zufall (wie in den film serials, nach deren Muster STAR WARS angeblich entstanden sein soll) oder folgen sie eher einer erzählerischen Notwendigkeit (was, wie die Analyse zeigt, überwiegend tatsächlich der Fall ist)? Zu diesem Zweck untersucht Jullier eine Vielzahl von Faktoren: Kamerabewegungen, Blenden, Bildschärfe, Ton, Musik usw. In Einzelanalysen beschreibt er den Stil von STAR WARS, indem er etwa zeigt, wie Lucas beim Angriff auf den Todesstern je nach Bedarf die Erzählzeit verkürzt oder verlängert (S. 100-102) oder Sequenzen aus STAR WARS mit entsprechenden Szenen aus anderen Filmen vergleicht (z.B. die Degenduelle in STAR WARS mit denen in dem amerikanischen Mantel-und-Degen-Film SCARAMOUCHE von 1952, S. 103-112). Stimmt die Behauptung eines Filmkritikers, die Geschwindigkeit bei STAR WARS sei BEN HUR hoch eine Million? Nein, ein Vergleich der Wagenrennen-Sequenzen zeigt, dass trotz vieler Unterschiede gerade die Schnittfrequenz und die Bewegung im Bild und damit der allgemeine Eindruck von Geschwindigkeit in beiden Filmen ungefähr gleich ist (S. 112-119).

In der externen Analyse untersucht Jullier den Inhalt der STAR-WARS-Filme auf Elemente aus anderen Texten und fragt z.B., ob sich darin Spuren von Ideologien finden lassen. Er beschränkt sich aber nicht auf die Suche nach Anspielungen und Motivähnlichkeiten, denn wer nach solchen Ausschau hält, so gibt der Autor mit einem Augenzwinkern zu erkennen, wird dabei fast immer fündig, und oft gelingt es einfach nur, in den Film hineinzulesen, was man daraus herauslesen möchte. Filmkritiken sagen in diesen Fällen mehr über den Kritiker aus als über den Film (was im übrigen auch für die Suche nach Ideologien gilt). Indes will Jullier zeigen, dass der postmoderne Stil der STAR-WARS-Filme vor allem in der Art und Weise besteht, in der die Geschichte erzählt wird. Es handelt sich, so sagt er, um eine Erzählung dritten Grades, wobei der erste Grad darin bestünde, eine einfache Geschichte zu erzählen, der zweite, intertextuelle Bezüge zu erkennen und sich somit über die Geschichte zu erheben, und der dritte, sich dadurch aber nicht von dem Vergnügen abbringen zu lassen, einer einfachen Geschichte zu folgen (S. 130). Nicht die Explosionen und Spezialeffekte sind das Wesentliche an STAR WARS, sondern die Erzählung. Und auch für die Entstehung des Popcorn-Kinos, für die STAR WARS oft verantwortlich gemacht wird (Peter Biskind: Easy Riders, Raging Bulls, 2004), darf man die Saga nicht zum Sündenbock machen. Das, so Jullier, hieße, Ursache und Symptom zu verwechseln (S. 123).

Es gibt zwei Vorwürfe, die Büchern wie diesem regelmäßig gemacht werden: Da ist zum einen der akademische Gestus und die damit einhergehende Verwendung von Fachtermini (siehe Kundenrezensionen auf amazon.de), zum anderen "Formalismus" (siehe Rezension in epd Film Nr. 9/ 2007, S. 62). Jedoch: Man soll Produkte für das nehmen, was sie sind. Und bei Julliers Text handelt es sich nun mal um eine formale Analyse der STAR-WARS-Filme. Wenn man über diese Filme ganz präzise sprechen will als das, was auch sie genau sind, dann ist eine solche formale Analyse notwendige Grundlage für die Diskussion. Dieses Buch bedeutet Arbeit, auch für den Leser. Ideal wäre, die entsprechenden Filmszenen herauszusuchen und noch einmal anzuschauen, die oft nur en passant erwähnte Fachliteratur zu erfassen und Fachtermini, die man nicht versteht, nachzuschlagen. Hier ist dem Buch auch manch kleines Versäumnis vorzuwerfen: So wird z.B. so ein Begriff wie Zoroastrismus zuerst wie selbstverständlich verwendet (S. 170) und erst viel später ausführlich erläutert (S. 221), manchmal steht Wichtiges in den Fußnoten, das man erst hinten im Buch nachschlagen muss, usw. Aber das ist alles nur kleinliche Kritik. Denn die meiste Arbeit hat Jullier dem Leser schon abgenommen. Sein Buch wird sicherlich sowohl diejenigen besonders interessieren, die einfach gerne Filmanalyse betreiben, als auch diejenigen, die die STAR-WARS-Filme schon sehr genau kennen, aber immer noch mehr darüber erfahren wollen. Und anders als viele glauben, wird eines, an dem alle Leser Interesse haben dürften, durch eine solche sezierende Analyse nicht etwa geschmälert, sondern im Gegenteil noch verstärkt: das Vergnügen, die Filme zu sehen.

OLAF BRILL
14 Jan 2008

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filmhistoriker.de, edited by olaf brill.

Last update (this page): 14 Jan 2008.

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