Enno Patalas: Metropolis in / aus Trümmern Eine Filmgeschichte Berlin: Bertz 2001 174 pages, German text, many photos ISBN 3929470195 |
Enno Patalas hat jetzt sein Buch über METROPOLIS vorgelegt. Patalas,
"der Retter von METROPOLIS" (stern Nr. 14, 30.03.1995, S. 96),
war Leiter der in den 1980er Jahren vom Münchner Filmmuseum angefertigten
Rekonstruktion, der bisher vollständigsten und schönsten Fassung eines
Films, der das Schicksal vieler früher Filme erlitt, wie schon der Titel
des Buches sagt: von Anfang an wurde METROPOLIS zerschnitten, gekürzt,
neu montiert und in alle Teile der Welt zerstreut. Heute eine Fassung zu sehen,
die aussieht wie die Premierenfassung, ist geradezu unmöglich. Aber dank
der Initiative von Spezialisten wie Patalas und Institutionen wie dem Münchner
Filmmuseum ist es in mühevoller Kleinarbeit gelungen, eine Rekonstruktion
vorzulegen, die der ursprünglichen Fassung wenigstens nahekommt. Dieser Tage
werden wir auf der Berlinale die neueste Rekonstruktion von Martin Koerber und
seinem Team zu sehen bekommen, vielleicht die vollständigste Fassung, die
es jemals geben wird, und gerade rechtzeitig zu diesem großen Ereignis kommt
Patalas‘ Buch. Kenntnisreich und umfangreich kommentiert er, was wir über
METROPOLIS wissen: unter Berücksichtigung unterschiedlicher filmischer
und nicht-filmischer Quellen beschreibt er erhaltene, aber auch noch fehlende
Szenen, und setzt somit ein Bild des Films zusammen, wie er gewesen sein mag.
"Versuch einer Beschreibung" nennt er das bescheiden, und ist sich klar
darüber, daß sein eigenes Werk nur ein Schritt auf einem Weg ist, sogar
nur ein Schritt auf einem von vielen möglichen Wegen: "Das Resultat
lässt sich auch als Exposé lesen zu wieder einer anderen Inszenierung
-- einer DVD (...). Nicht, wie üblich, eine Fassung mit "Extras",
"Bonusmaterial", sondern auf den verschiedenen Spuren, kombiniert, koordiniert,
Einstellungen und Zwischentitel, Einstellungs- und Szenenfolgen in ihren Varianten;
eine Aufzeichnung der Huppertz-Musik (oder mehrere, kleine, große Besetzung);
die Stand- und Arbeitsfotos; Drehbuch, Partitur, Zensurkarten zum Mitlesen --
dem Betrachter anheimgegeben zur eigenen Montage." (S. 12)
Die filmischen Quellen: Patalas nimmt an, daß von METROPOLIS
drei Originalnegative gezogen und montiert wurden: eins für die deutsche
Premierenfassung, eins für die Paramount, den amerikanischen Partner der
Ufa, und eins für den Export in andere Länder. In seiner Vorbemerkung
(S. 7-12) gibt er eine kleine Geschichte, wie diese drei Ur-Fassungen verändert,
in alle Welt zerstreut, und dann wieder aufgestöbert, zusammengesetzt und
Grundlage von Rekonstruktionen wurden:
Die nicht-filmischen Quellen: Patalas verwendet und zitiert in den Randnoten
eine große Anzahl anderer Quellen: das einzige bekannte erhaltene Drehbuch-Exemplar
(aus dem Nachlaß von Gottfried Huppertz, heute im Besitz der Deutschen Kinemathek),
die Huppertz-Partitur, die Zensurkarte, veröffentlichte und unveröffentlichte
zeitgenössische Quellen und Äußerungen am Film Beteiligter: vor
allem Erich Kettelhuts Memoiren (dickes, noch immer unveröffentlichtes Typoskript
im Besitz der Deutschen Kinemathek), Karl Freunds "Wie es gemacht wurde"
aus der METROPOLIS-Sondernummer des Ufa-Magazins, Günther Rittaus
"Die Trickaufnahmen im Metropolis-Film", und viele andere solcher Quellen,
aus denen wir so etwas wie ein "Making of" des Films erschließen
können. Dazu kommen viele Bilder: Fotos aus dem Film, Entwürfe von Erich
Kettelhut, Drehbuchseiten, Produktionsfotos, Klavierauszüge, Kostümskizzen
von Aenne Willkomm, sogar Fotos aus dem Ufa-Magazin, die einige in keiner Kopie
erhaltenen Einstellungen zeigen (zwei Männer kämpfen um das Strumpfband
der falschen Maria, am Ende schießt der eine den anderen nieder, S. 117).
Der Hauptteil des Buches ist ein kommentiertes Einstellungsprotokoll des Films,
und zwar nicht das Protokoll irgendeiner bereits vorhandenen Rekonstruktion, sondern
ein Protokoll all dessen, was wir heute über diesen Film wissen: mit Beschreibungen
sowohl aller überlieferter Einstellungen, als auch aller aus den unterschiedlichen
Quellen zu erschließenden fehlenden Einstellungen, mit Vergleichen der verschiedenen
Fassungen, einschließlich Vergleichen der unterschiedlichen englischen und
amerikanischen Zwischentitel, Kommentaren zur Farbgebung der australischen Kopie,
und Kommentaren zur Musik, die von Rainer Fabich verfaßt wurden. Was noch
fehlt sind Angaben zu Einstellungsgrößen (teilweise vorhanden) und
-längen, und ein Literaturverzeichnis, in dem man die Quellen bequem nachschlagen
kann, statt wie hier nach der ersten Randnote suchen zu müssen, in der eine
Quelle erwähnt wird.
Wie weiter oben bereits gesagt, ist jede Filmrekonstruktion immer nur ein Schritt
auf einem Weg, sogar nur ein Schritt auf einem vieler möglicher Wege. Filmrekonstruktion
ist also eine Arbeit, die immer weiter geht und niemals richtig fertig ist. Aber
sie muß auch nicht jedesmal wieder von vorne anfangen. Patalas‘ Werk ist
eine unverzichtbare Arbeitsgrundlage für alle Forscher, die sich in Zukunft
mit METROPOLIS befassen.
filmhistoriker.de,
edited by olaf brill.
Last update (this page): 21 Jul 2004.
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