Carlos Trafic: Das Kabinett des Dr. Caligari Hamburg, Germany: Ernst Deutsch Theater Running Oct 04 - Nov 10, 2001 Directed by Katrin Kazubko Set design: Bernd Holzapfel Costume design: Nora Weber Music: Günter "Baby" Sommer Cast: Stefan Wigger (Dr. Caligari), Gero Nievelstein (Cesare), Nane Brüning (Jane), Georg Münzel (Francis), Marcus Widmann (Alain / Dr. Sonntag), Monika Barth (multiple roles), Stefanie Döbler (multiple roles) and Ulli Niedermüller (percussion) |
Caligari revisited. Der argentinische Schauspieler, Autor, Regisseur, Performance-Künstler
und Schauspiellehrer Carlos Trafic (* 1939) schrieb und inszenierte diese Bühnen-Adaption
des CABINET DES DR. CALIGARI für das Freiburger Kammertheater (Uraufführung
15.03.1980). Gemäß seiner Arbeitsweise, die den Dialogtext zunächst
nicht festschreibt, sondern den Schauspielern Raum zur Gestaltung ihrer Rollen
läßt, entstand die erste Textfassung in Zusammenarbeit mit den Schauspielern
Moc Thyssen, Ullo von Peinen, Elisabeth Felder, Hans Schwab, Frank Lettenewitsch
und Maja Stolle. Das Stück wurde später noch einmal unter Trafics Regie
aufgeführt im tif -- theater im fridericianum (Staatstheater Kassel, Uraufführung
11.05.1989), mit Berthold Korner als Caligari, Herwig Lucas als Cesare, Isis Krüger
als Jane und Steffen Laube als Francis, und jetzt in seiner Jubiläums-Spielzeit
2001/2002 (50 Jahre) vom Ernst Deutsch Theater Hamburg, dessen Ensemble unter
der Regie von Katrin Kazubko damit schon einmal aufgetreten war, bei einem Gastspiel
in Hagen im November 2000.
Trafics Bühnenfassung bleibt nahe am Caligari-Stoff, den wir aus dem Film
kennen: der Handlungsablauf, die Figuren und ihre Konstellation sind fast gleich,
die Dialoge (natürlich) zum großen Teil neu, aber auch mit Anlehnungen
an die Film-Zwischentitel: "Ich werde nicht ruhen, bis ich auf den Grund
dieser schrecklichen Ereignisse gestoßen bin!", der vielleicht wichtigste
Satz im Film (dort leicht anders) -- hier hören wir ihn gleich viermal, bis
Francis tatsächlich glaubt, auf den Grund der schrecklichen Ereignisse gestoßen
zu sein.
Die Änderungen gegenüber dem Film sind z.T. nur kleine Unterschiede,
die sich z.B. Trafics Erzähllust verdanken (der Geschichte ein neues Detail
hinzuzufügen) oder der Bühnenökonomie (begrenzte Anzahl der Schauspieler):
Zwei Änderungen sind tiefer gehend und zeigen Trafics Lesart des Caligari-Stoffes:
Die Aufführung im Ernst Deutsch Theater ist eine seltene Gelegenheit, den
Caligari-Stoff auf der Bühne zu sehen, vielleicht für viele überhaupt
das Kennenlernen dieses Stoffes. Wir haben schon Konzerte gesehen, bei denen sich
auf dem Betonboden sitzende Punks mit zerrissenen Jeans und einer Flasche Beck's
in der Hand den mit Video an eine Betonwand projizierten, mit wummerndem Drum'n'Bass
untermalten Caligari-Film angesehen haben. Und es ist offenbar der Fall, daß
derselbe Stoff auch beim Theaterpublikum ankommt, wo man Anzüge trägt
und "Guten Abend" sagt.
Bühnenbild und Kostüme orientieren sich am Film, mit schrägen Türen
und Dr. Caligaris unvermeidlichem hohen Zylinderhut. Die Bühne ist einfach
und multifunktional eingerichtet (mit z.B. in der Kulisse verschwindenden Betten,
die die Veränderung des Bühnenbilds während des Spiels erlauben).
Als Schauspieler besonders hervorzuheben ist Georg Münzel als Francis, der
dieses Stück eindeutig dominiert und eine ironisch-witzige Rolle spielt,
aber auch einige mordsmäßig zuckende apokalyptische Tänze zu bewältigen
hat. Nane Brüning ist liebreizend als Jane. Nur Stefan Wigger als Dr. Caligari
spielt ein bißchen dröge, so als fühle er sich in dieser Rolle
unterfordert. Unterstützt wird das Schauspiel von Ulli Niedermüllers
Schlagzeug (Musik komponiert von Günter "Baby" Sommer). Uns hat's
gefallen.
Wir sahen die Aufführung am Donnerstag, den 11. Oktober 2001.
filmhistoriker.de,
edited by olaf brill.
Last update (this page): 21 Jul 2004.
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