Musik zum deutschen Film Vol. 1: 1900 - 1945 Berlin: Filmmuseum Berlin 2001 approx. 79 mins. |
Brigitte Helm tanzt. Im Film METROPOLIS (1927) als falsche Maria, und
im Booklet der neuen Audio-CD des Filmmuseums Berlin. Musik zum deutschen
Film Vol. 1: 1900 - 1945 (eigentlich 1919 - 1944) präsentiert Stücke
von der Stummfilmzeit, als Musiker Filmmusik erst erfinden mußten, bis
zur frühen Tonfilmzeit, als Stummfilmstars wie Harry Liedtke plötzlich
Schlager trällerten. Vol. 2: 1946 - 2000 ist für Dezember 2001
angekündigt.
Die CD enthält bekanntes, repräsentatives, lange nicht gehörtes,
überraschendes, kurioses, pompöses, erhabenes, feines, schönes
und albernes: alte Hüte und kleine Kostbarkeiten in Neu- und Originalaufnahmen,
ein wirklicher Querschnitt durch die Filmmusik der Zeit, jedenfalls soweit wir
sie kennen. Wir hören bekannte Stücke wie z.B. Hans Erdmanns NOSFERATU-Thema,
die "heroische Musik von Herbert Windt", Marathonlauf aus Leni
Riefenstahls OLYMPIA (1938) und Gottfried Huppertz' METROPOLIS-Suite
(jedoch laut Booklet zur CD noch nie veröffentlicht). Aber wußten
Sie, daß z.B. der große Komponist Paul Hindemith (1895-1963) Filmmusik
gemacht hat? Hier zu hören "In Sturm und Eis" aus Arnold Fancks
Bergfilm IM KAMPF MIT DEM BERGE (1921), ein Beispiel für Hindemiths
Konzept der "Gebrauchsmusik".
Der möglicherweise bedeutendste Komponist des deutschen Stummfilms war
der Italiener Giuseppe Becce (1877-1973), der ab 1900 in Berlin lebte. 1919-1929
veröffentlichte er sein mehrbändiges Sammelwerk "Kinothek",
das er als Baukasten zur Komposition von Stummfilmmusik verstand und Versatzstücke
für allerlei typische Stummfilmszenen enthielt. Er machte auch eine Schallplattenaufnahme
seiner Kinothek-Stücke, als Hilfe für Filmleute, die keine Noten lesen
konnten. Zwei repräsentative Stücke werden jetzt erstmals auf CD veröffentlicht
(nicht die, die laut seiner Angabe aus den 1950er Jahren seiner angeblichen
verschollenen Originalmusik für CALIGARI entstammen sollen).
Nach den Orchesterstücken der Stummfilmzeit kommen die Schlager der frühen
Tonfilmzeit. Den Übergang macht ICH KÜSSE IHRE HAND, MADAME
(1929), ein später Stummfilm, uraufgeführt in dem Jahr, in dem der
Tonfilm den Stummfilm ablöste. Er enthält eine Szene, in der Frauenliebling
Harry Liedtke das Titellied singt:
"Madame, ich lieb' Sie seit vielen Wochen,
wir haben manchmal auch davon gesprochen.
Was nützt dies alles, mein Pech dabei ist,
daß ach! Ihr Herzchen leider nicht mehr frei ist.
Ihr Blick gebietet mir: sei still!
Doch träumen kann ich, was ich will:
Ich küsse Ihre Hand, Madame,
und träum' es war ihr Mund.
Ich bin ja so galant, Madame,
doch das hat seinen Grund..."
Die Stimme gehörte allerdings nicht Harry Liedtke, sondern dem Tenor Richard
Tauber. Selber sangen Marlene Dietrich, Willy Fritsch, Heinz Rühmann und
Oskar Karlweis im ersten Jahr, in dem es nur noch Tonfilme gab: "Ich bin
von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt" (aus DER BLAUE ENGEL,
1930) und "Ein Freund, ein guter Freund" (aus DIE DREI VON DER TANKSTELLE, 1930). Auch diese Klassiker finden wir auf der CD, ebenso wie
z.B. "Ich wollt' ich wär' ein Huhn", mal nicht von den Comedian
Harmonists, sondern von Willy Fritsch, Paul Kemp, Oskar Sima und Lilian Harvey
aus dem Film GLÜCKSKINDER (1936). Und neben albernen Schlagern dann
plötzlich so schöne Stücke wie "Wenn ich mir was wünschen
dürfte", gesungen von Marlene, aus dem Film DER MANN, DER SEINEN MÖRDER SUCHT (1931) mit Heinz Rühmann, oder das legendäre
von Kindermörder Peter Lorre gepfiffene Thema aus Fritz Langs M
(1931), das auch als Jingle vor den Fritz-Lang-Filmen der diesjährigen
Berlinale-Retrospektive zu hören war (Peer-Gynt-Suite von Edvard Grieg).
Die Entdeckung dieser CD ist aber der "Caligari-Foxtrott" von Otto
Weber, eine Kuriosität aus den 1920er Jahren, die seit langem als Notensatz
im Archiv der Stiftung Deutschen Kinemthek herumliegt, und hier zum ersten Mal
überhaupt eingespielt wurde (von Matthias Grabi). Das Stück war wahrscheinlich
nie als Filmmusik für DAS CABINET DES DR. CALIGARI (1920) gedacht,
entpuppt sich aber als simples kleines Klavierstück, das einfach nur wunderschön
ist.
filmhistoriker.de,
edited by olaf brill.
Last update (this page): 21 Jul 2004.
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