FILM FRANKENSTEIN (USA 1931)

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ABSTRACT
REVIEWS
    Frankenstein (1931)

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FRANKENSTEIN
FRANKENSTEIN
FRANKENSTEIN

Directed by: James Whale.
Written by: Garret Fort,
Francis Edward Faragoh,
Robert Florey,
adapted from the novel "Frankenstein, or the Modern Prometheus" by Mary W. Shelley (1818),
and the stage-play "Frankenstein" by Peggy Webling (1927),
based upon the composition by John L. Balderston.
Production company: Universal Pictures Corp., New York.
Producer: Carl Laemmle, Jr.,
E. M. Asher (associate producer).
Photography: Arthur Edeson.
Editing: Clarence Kolster.
Sound: C. Roy Hunter.
Set design: Herman Rosse.
Makeup: Jack P. Pierce.
Cast: Colin Clive (Dr. Henry Frankenstein),
Mae Clarke (Elizabeth),
John Boles (Viktor Moritz),
Boris Karloff (The Monster),
Edward Van Sloan (Doctor Waldman),
Frederick Kerr (Baron Frankenstein),
Dwight Frye (Fritz),
Lionel Belmore (The Burgomaster),
Marilyn Harris (Little Maria),
Michael Mark (Ludwig, Maria's Father),
Arletta Duncan (Bridesmaid),
Pauline Moore (Bridesmaid).
Studio / Locations: Universal Studios, California, USA,
Busch Gardens, S. Grove Avenue, Pasadena, California, USA,
Lake Sherwood, California, USA,
Malibou Lake, Agoura, California, USA,
San Fernando Valley, Los Angeles, California, USA,
Los Angeles, California, USA,
Pasadena, California, USA.
Première: 21 Nov 1931, USA,
18 May 1932, Berlin, Germany.
Censorship data: Berlin 07 Mar 1932 (no. 31171), 8 acts, 1927 m, prohibited.
06 Apr 1932 (B.31327), 8 acts, 1829 m, prohibited.
22 Apr 1932 (B.31440), 8 acts, 1803 m / 1775,40 m, prohibited for children.
20 Dec 1932 (O.5819), 8 acts, 1803 m / 1794,85 m, prohibited for children.
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ABSTRACT



Heavily influenced by German Expressionist Film, James Whale brought to life Mary Shelley's monster in his immortal film classic FRANKENSTEIN in 1931. It's on record that, in preparation for it, he screened THE CABINET OF DR. CALIGARI.

So, when Colin Clive screams "It's alive!", that moment also echoes the moment when Conrad Veidt's Cesare opens his eyes for the very first time in Robert Wiene's 1920 horror film. FRANKENSTEIN hit German theatres in May 1932. This site presents some of the contemporary reviews in German language.




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REVIEWS



Walter Jerven
Frankenstein
(Mozartsaal.)


Gespannteste Erwartung, um nicht zu sagen Aufregung im Publikum. Die Warnung: "Nicht ansehen, wenn schwache Nerven!" – die aus der Reklame herausspringt – wirkt Zauber: schwache Nerven scheint kein Mensch zu haben, wenn man sie von ihm verlangt.

Ein neuer Gruselfilm also, - nach dem "Ende von Maradu" der zweite, den Carl Laemmle in Deutschland zeigt. Schnell geprägtes Etikett: Gruselfilm; denn ist's uns nicht schon bei manch anderem Film (er mußte durchaus nicht der Abenteurer- oder Unterweltsgattung angehören) kalt über den Rücken gelaufen? Und hat nicht auch in manchem Operettenfilm die Fülle der Einfallsleere uns Gruseln erzeugt?

Besagt die Bezeichnung Gruselfilm, daß eine Gattung erstrebt wird, die handfest der Phantasie gesunder Abenteurerlust ein Feld erobern will, so wird sie uns willkommen sein. Denn nicht wahr: wir hatten sie schon vor Jahren: diese Robinsonaden und Inseln der verlorenen Schiffe und haben uns ihrer gefreut, sind vor ihnen gesessen wie Kinder vor ihrem Eulenspiegel und Münchhausen, vor Gulliver und später vor Karl May.

Carl Laemmles "Frankenstein" aus dem Roman der Engländerin Mary Godwins, entstanden in der Zeit der englischen Romantik um 1813, ist ein heutiger Wissenschaftstechniker; einer, der Magie nicht inmitten von Retorten und Folianten, sondern in der Rotunde eines Laboratoriums studiert, das äußerliche Beziehungen zum Magisch-Spukhaften nur insofern unterhält, als es sich in einem Turm befindet, diesem unentbehrlichen Requisit mystischer Welt. Selbstverständlich, daß ihm kein Stück technischer Modernität fehlt, daß ein Schnürboden vorhanden, der selbst der Inszenierung einer Charell-Revue neue Wirkungsmöglichkeiten einräumen könnte.

Schier blosgelegte Entladungskräfte vibrieren! Man vermißt direkt ein Rauchverbot an den Wänden, die wie Tonfilmkabinen mit Schalttafeln beschwert.

Mit einem Kopfhörer horcht Dr. Frankenstein das über dem Beginn der Handlung schwebende Gewitter ab. Und seine vorgeschriebene Reise – im Mutterleibe dieser elektrizitätsschwangeren Laboratoriumsrevue – vollendet der künstliche Mensch mit Donnergang!

Er ist geboren. Ungeschlachtes Ungetüm; breite, unbeholfene Menschquader; Mensch-Tank! Gespenst ohne Knochen, dem die Glieder um den (nicht vorhandenen) Leib schlottern. Nicht zu beneiden der Schneider, der für ihn arbeiten muß; der Regisseur James Whale, der ihn durch Türen und Fenster, durch Wald und Heide lenkt. Ungefüges Monstrum, das Boris Karloff mit überzeugender, gigantischer Größe lebt; eine Art Wolkenkratzer, die alle Absichten seines Schöpfers sprengt, wie sie sicher auch die Dispositionen der Drehtage gesprengt und vom Produktionsleiter Carl Laemmle jun. viel Lammsgeduld verlangt hat.

Ein Diebstahl, den Dr. Frankeinsteins humpelnder Famulus im Studio des Mediziners Waldmann ausführt, mißlingt. Zwar diesmal keine Juwelen, echte oder falsche, sondern Gehirne, normale und anormale. Das anormale eines Verbrechers wird dem Rübezahl eingesetzt, beginnt zu arbeiten, trägt seinem Schöpfer einen Dornenkranz von Ereignissen ein, und seine Braut kommt nicht dazu, den Jungfernkranz abzulegen, um im Hafen der langersehnten Ehe zu landen.

Tolle, gespenstische Bilder dazwischen! Der tapsende Riese in der Begegnung mit einem ahnungslosen Kind, das mit ihm spielt. Und später der Vater, die baumelnden Glieder der Kleinen vor sich hertragend, durch die johlenden, tanzenden, schuhplattelnden Menschenmengen hindurch, die der Schatten dieses Bergschrecks überdüstert, – Sinnbild unserer Tage: Hoppla, wir leben nicht!

Im Finale die in suggestiver photographischer Momentkunst vorüberhastende Parforcejagd der Bauern zur Windmühle auf luftiger Tiroler Bergeshöh'! Mahle, Mühle, mahle! Brennendes Fanal der Ausgeburten menschlicher Ehrgeizregister, seelenloser Technikkonstrukteure.

Es ist vieles herausgeschnitten worden aus dem Film, vielleicht zu viel von dem, was Gruseln macht. Vielleicht ist mancher Grusel dieses Films in Amerika auch nur Ersatz für den verbotenen Fusel. – Mancher, der gestern abend auszog, das Gruseln zu lernen (neue physische Ersatzsensation für andere Sensationen, die der Pleite wegen aus dem Tagesetat gestrichen werden mußten) kam vielleicht zu kurz. Trotzdem: Der Widerspruch am Schluß ändert nichts daran, daß diese einst große Gattung abenteuerlicher Filme im Spielplan von heute sich Platz erobern wird.

Film-Kurier (Berlin), vol. 14, no. 116, 19 May 1932.

–n–
Frankenstein
Universal – Mozartsaal


Ein herrlicher Titel: Frankenstein. Eigentlich besagt er gar nichts. Und setzt doch auf so seltsame Art unsere Phantasie in Betrieb. Nur ein Name. Doch ein Name, der wie nur wenige die Assoziation "Fall" hervorruft. Der Fall Frankenstein. Die Geschichte eines absonderlichen Verbrechens. – So oder ähnlich haben wir kombiniert, als uns die ersten phantastischen Erfolgsmeldungen von der New-Yorker Premiere des Films erreichten. Meldungen, die dann durch immer überraschendere Berichte über den Siegeszug des Films durch Amerika und die übrige angelsächsische Welt komplettiert wurden.

Seit gestern kennt nun auch Berlin diesen Film. Man darf sagen, daß die deutsche Fachwelt (die engere und weitere) seit Jahr und Tag kaum einer ausländischen Arbeit mit soviel Spannung, echter Spannung entgegengesehen hat.

Vor zwei Wochen erlebten wir Dreyers "Vampyr", den Irrtum eines genialischen Mannes. Viele halten die Duplizität "Frankenstein" und "Vampyr" für keinen Zufall und glauben von einer Mode des Gruselfilms sprechen zu können.

So wenig Dreyers "Vampyr" und dieser neue Film des durch Elan die Filmwelt immer wieder überraschenden Carl Laemmle künstlerisch zu parallelisieren sind, ist vielleicht wirklich in beiden Fällen die Idee maßgebend gewesen, daß das Publikum nach der Überfütterung mit Operetten, Musikal-Komödien und Uniformstücken für den Happen eines handlungsstarken Spukfilms im Augenblick besonders dankbar sein wird.

Weist Dreyers Arbeit regie- und phototechnisch alle Merkmale eines subtilen und nervösen Stils auf, so geht der unter der Produktionsleitung des jungen Laemmle entstandene Film auf handfestere Wirkungen. Wirkungen aber, die durchaus den Massen Kitzel und Erregung bereiten.

Die dramaturgische Einrichtung besorgten Garret Fort und Francis Edwards Faragoh. Man darf feststellen, daß die Autoren kaum ein gangbares Ingredienz moderner Gruselfilm-Mixtur vergessen haben. Da gibt es die Produktion des künstlichen Menschen, in einsamen Fels-Laboratorien (modernster Equipierung) hausende Forscher, unheimliche Würger, Unwetter, Blitze, die teuflische Fratze eines Buckligen, und Leichen und immer wieder Leichen . . .

Der Vorwurf der Routine ist den Verfassern des kunstlosen Szenarios nicht zu machen. Situation reiht sich an Situation. Einzel-Partien des Films scheinen in der deutschen Fassung stark beschnitten zu sein. Sicher wurde manches, was zu diesem Film, wie er nun einmal konzipiert ist, gehörte, ein Opfer der Schere.

James Whales inszenierte den Film in der Technik des braven alten "thrillers" amerikanischen Geschmacks. Grell sitzen die Akzente. Neben schockierend gedachten Momenten stehen Scherze im ältesten, gemütlichsten Lustspielstil. Nun, viele Filme dieser Art waren auch bei uns große und größte Publikumsschlager.

Colin Clive (in der Rolle Frankensteins, des Fabrikanten künstlicher Menschen), die etwas larmoyante, aber recht hübsche Mae Clark und John Boles bemühen sich um die Hauptrollen. Ausgezeichnet die (allerdings mehr ins Artistische gehende) Leistung Boris Karloffs, des Hommunculus-Darstellers.

Etwas ungleich die Photographie: das aufgebotene Material – an Menschen und Dingen – gibt dem Film das Signum einer großzügigen Produktion.

Die mit offensichtlicher Liebe arrangierte Festvorstellung (Fassade und Foyer des Theaters sind sehr geschickt im Stil des Films dekoriert) läßt erwarten, daß "Frankenstein" auch in Berlin im long-run laufen wird, und daß der Mozartsaal für die nächsten Wochen ausgesorgt hat.

Lichtbild-Bühne (Berlin), vol. 25, no. 115, 19 May 1932, p. 2.

Anonymous
Geschäft mit Gruseln
"Frankenstein"


Selten ist – wie schon gestern hier an dieser Stelle bemerkt wurde – ein Film mit einer so originellen und nachhaltigen Reklame in Berlin herausgebracht worden wie die phantastische Geschichte von dem künstlichen Menschen, den der Arzt, Doktor Frankenstein, mit Hilfe eines gestohlenen Gehirns konstruiert.

Ursprünglich entstand dieses Monstrum aus Leichenteilen und aus dem Gehirn eines Verbrechers, das ein buckliger Mensch im Stile Lon Chaneys aus dem Hörsaal einer Universität stiehlt.

Die Leichenteile hat die Zensur – und man darf wohl sagen "glücklicherweise" – gestrichen.

Das gestohlene Gehirn ist geblieben, weil nämlich dadurch der verbrecherische Charakter des modernen amerikanischen Golems begründet ist.

Diese Geburt des Unholds geschieht mit einem pompösen Aufwand von Maschinerie.

Es zucken elektrische Ströme von Tausenden von Volt. Die Himmelselektrizität wird bei einem Gewitter zur Erschaffung des Geschöpfs herangezogen, und eine Liebesgeschichte sorgt dafür, daß ab und zu etwas Lyrik den Nervenkitzel unterbricht.

Ursprünglich begeht das Geschöpf ungefähr alle Schandtaten, die im Strafgesetzbuch verzeichnet sind.

Die Zensur hat vieles gestrichen. Die Würgeszenen auf ein erträgliches Maß herabgemildert. Eine Vergewaltigung im häßlichsten Augenblick abblenden lassen und auch das Ende des Monstrums erheblich abgekürzt, ohne allerdings die Spannung des Ganzen irgendwie zu beeinträchtigen.

Es bleibt noch eine ganze Menge für diejenigen Beschauer übrig, die bei diesem Film das Gruseln lernen wollen.

Aber es sei im Vertrauen und unter uns bemerkt, daß die Warnungen, die in Berlin von jeder Litfassäule leuchten und die zu Beginn des Films von der Leinwand herab an Leute mit schwachen Nerven gerichtet sind, doch ein klein wenig übertrieben sein dürften.

Es lohnt sich, den Film zu sehen, für den Theaterbesitzer auch in dieser filmknappen Zeit, ihn zu spielen.

Darstellerisch gehört er mit zu den besten Leistungen der letzten Zeit. Boris Karloff, der dem künstlichen Scheusal Leben verleiht, gibt eine ausgezeichnete, in Spiel und Maske geniale Leistung.

Colin Clive erfüllt den Frankenstein je nach Bedarf mit Zurückhaltung und Temparament und hat in Edward van Sloan einen würdigen Nebenspieler.

All die andern, die Braut, der Bürgermeister, füllen ihre Rollen mit Anstand aus.

Der Regisseur James Whale führt sie so, wie er es für richtig hält. Er entwickelt starken Sinn für ureigene Bildwirkung. Gibt vor allen Dingen die Geburtswehen des Maschinenmenschen in selten packender, phantastischer und großzügiger Bildfolge.

Er schafft bei der Verfolgung des Bösewichts Bilder von seltenem Reiz.

Benutzt alle phototechnischen Möglichkeiten, läßt Szenerien geschickt wechseln und schafft in einer brennenden Mühle am Schluß ein Furioso von stärkstem Eindruck.

Es gibt Massenszenen bei der Tiroler Hochzeit, bei dem Zug der fackelbewaffneten Dörfler oder bei dem Spiel mit dem Kind am Wasser, bei dem Gang des Vaters mit dem erwürgten kleinen Mädchen durch das Dorf, die sich stark einprägen und die man so bald nicht vergißt.

Es ist ein Film, bei dem sich vielleicht mancher im Publikum überlegt, ob die Bilder wirklich so gruselig sind, wie man es nach Reklame und nach den Plakaten annehmen möchte. Aber auch diese Skeptiker, die beim Gruseln nicht auf ihre Rechnung kommen, werden zugeben müssen, daß es ein außerordentlich beachtliches und sehenswertes Werk ist.

Eine neue Art, die uns wieder einmal zeigt, daß es im Kinodrama vorläufig noch unbegrenzte Möglichkeiten gibt und daß es außer dem Weg in die Zukunft auch nicht ganz unangebracht scheint, in der Filmvergangenheit der letzten Jahre zu forschen, ob sich nicht irgendwo Ansätze finden, die im Tonfilm zur Vollendung gebracht werden können.

Es ist schwer zu prophezeihen, wie der endgültige Publikumserfolg sein wird.

Aber es muß gesagt werden, daß es unsere großen und kleine Häuser in Deutschland zumindest mit diesem Film versuchen sollten, der in der englischen Originalfassung mit deutschen einkopierten Titeln läuft.

Kinematograph (Berlin), vol. 26, no. 96, 19 May 1932.

Wyr.
Frankenstein
Im Mozartsaal


Wenn man den ganzen Klimbim von Kolophoniumblitzen, Theaterdonner und alle sonstige Requisiten einer amerikanisierten Wolfsschluchtromantik beiseite räumen könnte, dann würde man auf eines der großen ewigen Motive der Kunst stoßen: das Prometheus-Thema, den Gedanken, daß der Mensch, der sich das göttliche Recht der Schöpfung anmaßt, von der Gottnatur bestraft wird, da – der Alptraum des Maschinenzeitalters – seine Schöpfung gegen ihn aufsteht und ihn zermalmt. Welch eine Vision für einen Dichterregisseur!

Im Whales-Film freilich ist diese Grundkonzeption von einer Unzahl billiger Kientopp-Einfälle überwuchert und die Tragik des Schicksals ins Reich des Zufälligen verlegt. Denn wenn der junge Erfinder Baron Frankenstein das Gehirn seines Geschöpfes nicht nach einem Mörderhirn, sondern nach einem x-beliebigen Schafskopf konstruiert hätte, dann wäre aus diesem Roboter ein durchaus brauchbares Mitglied der menschlichen Gesellschaft geworden. So aber geht das Geschöpf – eine wahrhaft dämonische Maske Boris Karloffs – von Anfang an auf Blut aus und ermordet nacheinander einen buckligen Diener, einen Professor, ein kleines Mädchen und verschleppt schließlich seinen eigenen Schöpfer, den jungen Frankenstein, in eine alte Mühle, stürzt ihn hinab und wird am Ende von den Dorfbewohnern in diesem unheimlichen Gemäuer verbrannt. Dieses reichhaltige Programm wird durch einige Ueberfälle des Roboters auf andere Personen des Films und durch den reichen Fundus einer mittelalterlichen Pseudoromantik (made in Hollywood) wirkungsvoll ergänzt.

Da aber selbst durch diesen Wust von Absurditäten das große Grundthema durchschimmerte, blieb das Publikum – im Gegensatz etwa zum Vampyrfilm – bis zum Schluß interessiert.

Vossische Zeitung (Berlin), no. 240, 19 May 1932 (late edition).

hs
Frankenstein
Mozartsaal


Zuerst sah man Mickymaus, das künstliche Tier und menschliche Wesen, dann den künstlichen Menschen, "Geschöpf" genannt, ein tierisches Unwesen. Gelacht aber wurde bei beiden.

Der Film "Frankenstein" spielt in Tirol. In einem Tirol mit bestürzend künstlichen Bergen und Burgen und mit einer – Windmühle. In dieser findet das "Geschöpf" den Tod durch Flammen. Den Tod, den es so manches Mal – aber das betrifft ja einen andern Tiroler, den Tod also, den es durch einige Morde weidlich verdient hat.

Das "Geschöpf" ist ein Geschöpf des jungen Herrn von Frankenstein, der Strahlen entdeckt hat, die die tote Materie zum Leben erwecken. Der leicht aus dem Gleichgewicht geratene junge Herr und Gelehrte hat in einem alten Turm ein Laboratorium und einen – warum aber? – buckligen Diener, zu Hause einen unwirschen alten Vater und eine blühend junge Braut.

Bei einem Gewitter holt der Prometheus Frankenstein seine Strahlen vom Himmel herunter, und schon blinzelt seine Attrappe wie ein Mensch. Aber Frankenstein hat ihm ahnungslos das Gehirn eines Mörders eingesetzt, drum nimmt das Unheil seinen Lauf. Während Frankenstein Hochzeit feiert, naht der Kerl und haust, soweit ihn die deutsche Zensur hausen lässt. Einige ganz schlimme Dinge sind herausgeschnitten. Was geblieben ist, wirkt wie aufgeschnitten. Man schüttelt sich . . . vor Lachen. Das Gruseln lernt man nicht.

Das ganze Dorf steigt, mitten aus der Hochzeitsfeier, dem Unhold nach, in die Berge aus Pappe, und stellt ihn endlich in der landfremden Windmühle. Hier findet das Geschöpf, der Film und das Lachen ein Ende. Ein bisschen Beifall und Pfeifen steigt hinterdrein.

Der Film zeigt einige gelungene Massenszenen, der Darsteller des künstlichen Menschen, Boris Karloff, einige eindrucksvolle Posen. Allem übrigen ist die Ueberfahrt aus U.S.A. schlecht bekommen. Man soll weder Windmühlen nach Tirol, noch amerikanischen Gruselkitsch nach Berlin tragen.

Berliner Tageblatt, vol. 61, no. 235, 19 May 1932 (late edition).

Hans-Walther Betz
Frankenstein


In einem Vorspann zu dem phantastischen Film, der den Leuten das Gruseln beibringen sollte, warnte ein leutseliger Herr im Frack das Publikum noch einmal, sozusagen in letzter Minute, vor den nervenaufpeitschenden Vorgängen, die sich sogleich abspielen sollten. Zuletzt meinte er tröstlich, daß die geschätzten Anwesenden ja aufgeklärte Menschen seien . . . , aber er habe auf jeden Fall gewarnt.

Es ist nicht so schlimm gekommen. Es hat sich herausgestellt, daß die Berliner Kinobesucher über eiserne Nerven verfügten. Man blieb durchaus Herr der Situation.

Diese Zeit hat für Uebersinnliches und Grauenhaftes nichts mehr übrig. Sie empfindet das Groteske jeder mephistophelischen Ungeheuerlichkeit stärker als ihr Absonderliches. Sie weiß – zumal beim Film – zu genau, daß das Unwahrscheinliche letztlich nichts anderes ist als ein technischer Kniff und reagiert demgemäß.

Die wunderbare amerikanische Seele, die zugleich eine "amerikanische Tragödie", ein "Ende von Maradu" und einen "Frankenstein" genießen kann, hat eben noch genug von jener Kindlichkeit, um bei einem Humunculus erschauern zu können. Sie lebt sich aus, wenn am Hochzeitstag des Erfinders ein paare Morde geschehen, wenn ins goldene kalifornische Tirol, in Sang und Klang, urplötzlich der panische Schrecken fährt und das Volk aufsteht, die Ausgeburt eines fanatischen Entdeckerhirns mit Knüppeln totzuschlagen.

Sie schmilzt dahin, wenn das Liebespaar unter blühenden Zweigen von Liebe spricht, wenn zu Füßen des Mannes der dekorative Windhund liegt und die Braut vor Glück und Zärtlichkeit überfließt. Sie erschrickt zu Tode, wenn die künstlich geschaffene Bestie Verlangen spürt, die in Kranz und Schleier wartende Geliebte im Brautzimmer zu überfallen und ist befriedigt, wenn am guten Ende das widerliche Scheusal in einer Mühle verbrannt wird.

Das alles nimmt sie hin, mit Ergötzen und Erstarren. Wir sind nicht vermessen genug, diese Bereitschaft, Schönes, Seltsames und Verworrenes gleich geöffnet aufzunehmen, mit verschmockten Randbemerkungen abzutun . . .

Aber die Skepsis und die kritischere Einstellung des deutschen Publikums kommt zu anderen Schlüssen. Wir vermissen bei dem Thema, wie ein in übersteigertem Drang geschaffenes Wesen, das der Natur und ihren Gesetzen Hohn spricht, über seinen Schöpfer unbezwingbar hinauswächst – wir vermissen bei diesem Thema das wahrhaft Erschütternde. Wir vermögen uns nicht mit Bildern zu begnügen, die ohne eigentliche Konflikte im Grunde nur ein Schauermärchen illustrieren, wie es Garret Fort und F. E. Faragoh ersonnen haben.

Das Verderben, das Frankensteins Geschöpf bringt, wo es immer erscheint, hat uns in einer Szene tiefer berührt: als der Unhold ein kleines Mädchen erwürgt.

Wir sind gefesselt, wenn der Regisseur James Whale mit scharfen Toneffekten operiert, wenn er sein "Geschöpf" aus dem phantastischen Laboratorium in die Landschaft zu den Menschen führt, wenn er den Vater des ermordeten Kindes zeigt, der mit der Leiche durch die Reihen plötzlich verstummender Festgäste zieht. Wo das lähmende Entsetzen in scharfen Gegensatz zur bunten Lust des Tages gerückt wird, da packt dieser Film, und darum wird er auch in Deutschland – trotz allem – seinen Weg machen.

Die Darsteller waren Colin Clive, Mae Clarke, John Boles, Boris Karloff, van Sloan, Frederik Kerr, Frye, Belmore und die kleine Marilyn Harris.

Der Film ist vor seiner deutschen Uraufführung stark bearbeitet und – vielleicht aus Zensurgründen – zusammengeschnitten worden. Jedenfalls sagen die englischen Dialoge oft anderes aus, als die begleitenden deutschen Titel. Es ist nicht zu erkennen, inwieweit diese Bearbeitung den Wert des Films beeinträchtigt hat.

Der Film (Berlin), vol. 17, no. 21, 21 May 1932, p. 3.

Felix Henseleit
Frankenstein
Im Mozartsaal


Das Thema von der Erschaffung des künstlichen Menschen, von der Belebung toter Materie, vom Wettlauf des ehrgeizigen Menschen mit dem Weltenschöpfer ist ebenso wirksam wie es groß ist. Es ist das Thema, das jeden künstlerischen Rahmen zu sprengen geeignet ist. –

Auch den Rahmen dieses Filmes hat dieses Thema gesprengt, – Autoren und Regisseur sind ihm leider erlegen, – übrig blieb von dem gigantischen und unheimlichen Thema eine Spukgeschichte, die nicht so sehr in das Gebiet des Geheimnisvollen und Rätselhaften fällt als in die Sphäre des Grotesken. –

Das deutsche Publikum, grüblerischer als das anderer Zonen, vermag einen solchen Spuk nicht ernst zu nehmen und unterhält sich dabei auf seine Weise. Die Konstruktion des künstlichen Menschen vollzieht sich hier in einem alten Turmgemäuer, – während eines Gewitters, das alle Elektrizität des Himmels freimacht, Blitze zucken, Donner rollt, – "Meer und Himmel" berühren sich, das Monstrum wird geboren, – mit dem Gehirn eines Mörders. Nun "geht das Geschöpf" über Land, zerstörend, verwüstend, mordend, – am Ende seinen Schöpfer vernichtend. Dieser Ueberspuk wird vom Regisseur James Whale so inszeniert, daß man hierzulande das Ernstgemeinte als Groteske zu nehmen gezwungen ist. – James Whale verquickt auch zu oft Modernes mit Spukhaftem, – als daß Ernst dieser Handlung gegenüber angebracht wäre. – Tiroler Volksszenen sind gut gesehen, das gebaute Hochgebirge, die Windmühle auf dem Berge sind aber Dinge, die man nicht so leicht goutiert.

Boris Karloff spielt den künstlichen Menschen, grausig in Gehaben und Maske, – um ihn herum Colin Clive, Dwight Frye, F. Kerr, Lionel Belmore, John Boles in wirksamen Rollen. –

Ein seltsamer, merkwürdiger Fall, als Gruselfilm gedacht, als Spukgroteske aufgenommen. Jedenfalls ist er das Gespräch des Tages.

Reichsfilmblatt (Berlin), vol. 10, no. 21, 21 May 1932.



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