CONTENTS DATA SHEET ABSTRACT PLOT REVIEWS REPORTS NOTES ADS LITERATURE |
SATANAS |
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Directed by: | Friedrich Wilhelm Murnau. |
Written by: | Robert Wiene. |
Production company: | Viktoria-Film-Co. GmbH., Berlin. |
Photography: | Karl Freund. |
Set design: | Ernst Stern. |
Cast: | Conrad Veidt (Satanas), First episode "Der Tyrann": Fritz Kortner (Amenhotep, Pharao of Egypt), Margit Barnay (Phahi, his wife), Sadjah Gezza (Nouri, harpist), Ernst Hofmann (Jorab, a shepherd), Maryla Gremo (dancer), Second episode "Der Fürst": Ernst Stahl-Nachbaur (Prince Alfonso d'Este), Else Berna (Lucrezia Borgia), Kurt Ehrle (Germaro, her son), Jaro Fürth (Rustinghella), Third episode "Der Diktator": Martin Wolfgang (Hans Conrad, poet), Marija Leiko (Irene, his lover), Max Kronert (Conrad's father), Elsa Wagner (Conrad's mother). |
Studio / Locations: | Bioscop-Atelier, Neubabelsberg. |
Première: | 30 Jan 1920, Richard-Oswald-Lichtspiele, Berlin. |
Censorship data: | Berlin 13 Dec 1920 (no. 811), 6 acts, 2561 m, Viktoria-Film, Berlin,
prohibited for children. Berlin 1920 (no. 10914), 6 acts, Viktoria-Film, Berlin, prohibited for children. Berlin 1920 (no. 43711), 6 acts, 2550 m, Viktoria-Film, Berlin, prohibited for children. |
Restoration data: | The film is considered as lost, but the Search for Lost Films Team of the Project Lumière identified a 40-metre tinted fragment of the first episode "Der Tyrann" at the Filmoteca de Zaragoza (Spain). The fragment features a seduction scene with Fritz Kortner and Margit Barnay. |
Before CALIGARI, there was SATANAS: Conrad Veidt is starring as the fallen angel Satanas, roaming through the ages, trying to find a way back to heaven. Like Griffith's earlier INTOLERANCE (1916) or Lang's later DER MÜDE TOD (1921), SATANAS consists of several episodes each set in different historical epochs. At the end of SATANAS' last episode "The dictator", set in the not so far away German revolution of 1918, it's the tyrant who gets mad, stammering "Satanas, Satanas!" It's interesting to note that Siegfried Kracauer does not mention this in From Caligari to Hitler, where he argues that the Germans where obsessed with tyrants. The critics praised the film for its stylized acting and photography.
Satanas
von Dr. Robert Wiene
Satanas, der gefallene Engel, der verstoßene Sohn des Lichts, der Gott der Finsternis, sehnt sich -- sehnt sich heim nach dem Licht. -- Er bäumt sich. Er hadert mit Gott. In Qualen schreit er: "Gib mir wieder, was Du mir nahmst, das Licht --"
Gott ist unerbittlich. Die Stimme aus dem Licht wiederholt den Fluch: "Du sahest im Licht die Finsternis. Nun suche in der Finsternis das Licht! Verdammt bist du, die Menschen zu versuchen, zu verleiten zum Bösen. Solange verflucht, bis einer, ein Einziger, aus Bösem das Gute tut."
Satanas ist verdammt. Verdammt auf ewig. Gott ist unerbittlich.
Satanas zieht durch die Welt und durch die Zeiten. Schlimmes ist um ihn, Tod und Verzweiflung. Aber in seinen Augen glüht die urewige Qual, das ewige Lied, die Sehnsucht --
Sehnsucht nach dem Licht.
Sehnsucht nach dem Guten.
Sehnsucht -- Satanas -- --
[p. 3:] Am Hofe des Pharao Amenhotep, den das Volk den Gerechten nennt.
Durch sieben verschlossene Türen von ihm getrennt wohnt Phahi, des Pharao junges Weib, dem sich sein Herz entfremdete. Sein Lager teilt Nouri, die Harfenspielerin, die schön ist, dunkeläugig und erfahren in den Künsten der Liebe. Nouri aber liebt Jorab, den jungen Hirten aus dem Lande Ur.
Eines Nachts hat der Pharao einen Traum, den keiner zu deuten wagt. Da erscheint am Hofe des Pharao der alte, gespenstische Einsiedler aus der Wüste Elâ. Er deutet dem Pharao den Traum. Aber er verkündet auch Jorab, dem Hirten, wo er die Frau finden kann, die er heimlich liebt, die aber nicht Nouri ist. Und Nouri kündet der Weise an, wo sie die Frau finden kann, die sie ihr Leben lang sucht und für die sie einst geschworen hat zu sterben.
Nouri geht den Weg, den der Weise ihr gewiesen hat, und findet -- Jorab, ihren Geliebten, in den Armen einer Anderen, des jungen Weibes des Pharao. Sie vergißt ihres Schwures, sie ruft den Pharao aus dem Schlaf, sie fordert von ihm den Tod der beiden Sünder.
Der Pharao vergißt seine Gerechtigkeit. Er befiehlt die Beiden zu töten, wenn die Sonne kommt.
Der Alte von Elâ sieht und hört -- in seinen Augen glüht die urewige Glut, das ewige Leid, die Sehnsucht.
Keiner von allen hat aus Bösem Gutes getan. Satanas ward nicht erlöst. Satanas vernichtet. --
Nicht das Weib des Pharao trifft das Beil des Henkers, sondern Nouri, des Königs Liebste. -- --
[p. 4:] Jahrtausende gehen hin, so wie eine Wolke vorüberzieht an der Sonne.
Satanas ward nicht erlöst. Satanas wartet, hofft, in seinen Augen glüht die Sehnsucht --
Der Name Lucrezia Borgia hallt durch Italien. Dunkle Gerüchte von Gift, von blitzenden Dolchen und dumpfen Morden heften sich an ihren Namen. Ihr Name wird nur mit einem Fluch genannt.
Doch wer sie sieht, verstummt und liebt sie. Schön ist sie, königlich und kann lächeln wie ein Kind.
Sie aber trägt nur eine einzige Liebe in ihrem Herzen, zu ihrem Kinde, das sie einst heimlich geboren und das nun ein Jüngling ward, den sie niemals in ihre Arme schließen durfte, den sie niemals sprechen durfte und der niemals wissen darf, wer seine Mutter ist. Weil ihm sonst dasselbe Schicksal droht, unvermeidlich und unentrinnbar, das seinen Vater traf, Tod von Mörderhänden.
Einem Menschen nur hat sie gewagt sich anzuvertrauen, dem eleganten Gubetta, dem Spanier mit dem kühlen Lächeln, den bleichen Lippen und rätselhaften Blicken. Gubetta führt Lucrezia von Ferrara nach Venedig, dort soll sie den Sohn sehen. Zitternd vor Erwartung folgt sie dem Spanier. Aber noch ein anderer folgt ihr von Ferrara nach Venedig. Ihr Gatte, der finstere, eifersüchtige Fürst von Ferrara.
Venedig tanzt. In Venedig ist Karneval. Im Palazzo Barbarigo, auf dem tollen Maskenfeste, sieht Lucrezia den schönen Gennaro. Und einen Augenblick lang sieht Gennaro die Frau ohne Maske, einen Augenblick nur aber in diesem Augenblick flammt in ihm die heiße Liebe auf, zu der schönen Frau, zu der stolzen königlichen Frau, die seine Mutter ist.
Da rauscht ein Gerücht durch die Säle: Lucrezia Borgia ist in Venedig, ist auf dem Ball.
Die Freunde Gennaros finden ihn in den Armen einer Frau. Übermütig reißen sie ihr die Maske vom Gesicht: Lucrezia Borgia, die Gehaßte, die Gefürchtete, steht vor ihnen. "Mörderin" hallt es ihr entgegen, "Ehebrecherin!" "Blutschänderin!" Und vor ihm, vor dem Einzigen, den sie liebt, vor Gennaro, vor ihrem Kind.
Sie schwört die furchtbarste Rache, die Rache der Borgia.
Gubetta versammelt die fünf Freunde zu einem Mahl im Palazzo der Prinzession Naproni, das in Wahrheit das Mahl der Borgia sein wird. Lucrezia will ihnen den Wein würzen.
Jedoch Gubetta lockt noch einen sechsten Gast zu dem Mahl der Borgia.
Gubetta zeigt durch die Falten des Vorhangs der schönen Lucrezia die fünf Jünglinge sorglos, lachend, über-[p. 5:]mütig beim Mahl. Er zeigt ihr den Diener, der schon den goldenen Syrakuser hält, den Wein der Borgia.
"Jung sind sie und arglos. Und sollen sterben; so ist es Dein Wille?!" fragt er noch einmal.
Und in seinen Augen, den tiefen, rätselvollen Augen bangt die Frage, glüht die Qual, die Sehnsucht --
Lucrezia wild, stumm, finster, unerbittlich.
Satanas aber vernichtet die Fünf. Und auch den Sechsten, Gennaro, den Sohn der Lucrezia. Und vernichtet auch sie selbst: Der Dolch Gennaros rächt die fünf Freunde. Lucrezia fällt von der Hand ihres Kindes. Und niemals hat sie das Wort Mutter von seinen Lippen vernommen. --
-- -- --
Zeiten gehen dahin.
Satanas ward nicht erlöst.
Satanas wartet, hofft, sehnte sich --
Der junge Dichter Hans Conrad lebt in Zürich, der Stadt der Verbannten und der Flüchtlinge. Aber er lebt still in [p. 6 illustrations; p. 7:] seiner Arbeit, eingesponnen in seine Träume. Bis Valdemar Grodski in sein Leben tritt. Grodski, der Revolutionär, der Fanatiker. Der schleudert den Weckruf in des jungen Dichters Seele. "Jetzt ist nicht Zeit zu dichten und zu träumen; jetzt ist Zeit zu handeln," sagt er. Eine neue Weltanschauung bricht sich Bahn mit Macht. Bruderliebe, Menschheitsbeglückung, Revolution, Kommunismus.
Fanatisch glühen die dunklen Augen des seltsamen Mannes, wenn er seine Theorien und seine Ideale entwickelt. Ein wildes Feuer glimmt in ihm, ein finsterer Fanatismus -- und eine tiefe, unendliche Sehnsucht.
Hans Conrad steht bald vollständig in seinem Bann. Er wird sein Schüler, sein Jünger. Mit jugendlichem Entusiasmus faßt die junge Seele des Dichters die Ideale von Brüderlichkeit, von Menschlichkeit auf.
Und eines Tages ist die Revolution da. Das Revolutionsfieber rast durch die Welt. Hans Conrad eilt in seine Heimat, um seine Ideale, die Lehre vom Kommunismus, in die Tat umzusetzen. Valdemar Grodski begleitet ihn.
Die Revolutionswelle trägt den jungen Dichter empor. Sein Traum wird Wirklichkeit. Hans Conrad ist Diktator. Valdemar Grodski, der Fanatiker, steht neben ihm.
Aber es wird ihm nicht leicht, seine Macht zu erhalten. Seine Macht fordert Gewalt, sie fordert Blut. Hans Conrad sieht mit Entsetzen, wie anders die harte Wirklichkeit ist, als seine Träume. Er selbst muß den Befehl geben, unschuldige Geiseln zu verhaften. Er muß Befehl geben, Geiseln zu erschießen. Valdemar Grodski, der Unermüdliche, lehrt ihn die harte Notwendigkeit erkennen.
Und endlich muß er das Zeichen zum Kampf geben, zu neuem Blutvergießen, zum Bruderkampf. Die ersten Opfer, die fallen, sind seine alten Eltern, die auf dem Wege waren zu ihm, um ihn heimzuholen in ihr stilles Haus. Erschüttert steht Hans Conrad an der Bahre der Eltern.
Valdemar Grodski aber treibt ihn weiter und weiter. Für ihn gibt es kein Halt und kein Zurück.
Ein Geheimnis aber hat Hans Conrad doch vor dem Freunde. Allnächtlich schleicht er aus dem Schloß, wo er nun wohnt, hinaus in die Vorstadt, zu einem kleinen Häuschen mit dem kleinen Garten, wo Irene wohnt. Irene, die ihn nicht kennt und die ihn liebt und in deren Armen die Qualen, die er leidet, Beruhigung finden.
[p. 8:] Die Gegenrevolution erhebt ihr Haupt. Es wird beschlossen, den Diktator zu beseitigen. Ein Mädchen bietet sich an, den Bluthund zu töten. Ihr Vater war Schloßverwalter; sie kennt einen geheimen Gang im Schloß, der in das Schlafzimmer des Diktators führt. In der nächsten Nacht will sie ihn töten.
Der Plan wird verraten. Hans Conrad erwartet seine Mörderin. Um Mitternacht öffnet sich die geheime Pforte. Sie tritt ein. -- Da faßt sie eine Hand. Das Licht flammt auf. Hans Conrad steht Irene gegenüber, Irene, die er liebt. Und Irene erkennt in dem Gehaßten den Geliebten, um dessentwillen, um dessen Nähe willen sie die Tat tun wollte. -- --
Hans Conrad steht erschüttert, schwankend, unschlüssig. Und hinter ihm steht Valdemar Grodski. In unheimlichem Feuer glühen seine rätselvollen Augen. Unerbittlich, hart und unerschütterlich steht er hinter Hans Conrad. "Entweder sie fällt als Mörderin. Oder Deine Macht ist zu Ende." Kalt und ungerührt flüstert er es Hans Conrad zu.
In schwerem Zwiespalt ist Hans Conrad. Seine Liebe und sein Machtgefühl kämpfen in ihm.
Valdemar Grodskis tiefe Augen starren unverwandt auf ihn, wartend, fragend, fordernd; und im Tiefsten glimmt etwas anderes auf, Sehnsucht, heiße, übermenschliche Sehnsucht nach Erlösung. -- --
Hans Conrad entscheidet sich. Für seine Macht, gegen seine Liebe. Macht steht ihm höher.
Irene wird an die Wand gestellt.
Und Satanas vernichtet Hans Conrad. Wahnsinn umfängt ihn. "Satanas, Satanas", lallt er.
Satanas wankt zurück in die Finsternis. Ewig unerlöst. -- --
H. L.
Satanas
Interessentenvorführung
Das Manuskript dieses sehr starken und an künstlerischen Qualitäten
reichen Films stammt von Robert Wiene. Eine große Idee, die Sehnsucht
des Satans nach Erlösung, bildet das Grundmotiv des Werkes. Die Gottheit
verkündet dem Satanas, daß er erlöst sein soll, wenn er je Menschen
trifft, die Böses mit Gutem vergelten. Nun sucht Satanas unter den Menschen.
Am Hofe des Pharao Amenhotep kehrt er als Einsiedler ein, dann nach Jahrhunderten
in Venedig und Ferrara, wo die schöne Lucrezia Borgia mit Gift und Liebe
spielt, dann als geheimnisvoller Revolutionär in unserer Zeit. Aber was
er sucht, den Menschen, der das Böse mit Gutem vergilt, er findet es nicht.
Unerlöst wankt er wieder in die Finsternis zurück. Die durchweg
spannende Handlung ist von F. W. Murnau, der für die Regie zeichnet, und
von Ernst Stern, der die Ausstattung schuf, in zum Teil einzigartig schöne
Bilder gebannt. Nirgends wirkt etwas aufdringlich, alles paßt sich in
den Rahmen zu Gunsten der künstlerischen Gesamtwirkung ein. Der Film ist
stark auf Stimmung gestellt und schafft sich eine eigene Atmosphäre, was
durch die sehr weiche und plastische Photographie Karl Freunds wesentlich unterstützt
wird. Die Stellenbesetzung ist durchweg erstklassig. Sadiah Gezza, die von Film
zu Film reifer und ausgeglichener wirkt, Margit Barnay, die die ägyptische
Königin spielt, Else Berna, die die Gestalt der Lucrezia Borgia in rassiger
Weise verkörpert, und Marija Leiko, die mit der modernen Heldin eine verinnerlichte
Figur schafft, sind die Frauengestalten des Films. Männliche Hauptrollen
liegen bei Fritz Hortner, Ernst Hofmann, Kurt Ehrle und Martin Wolfgang in guten
Händen. Die ganz außerordentliche Leistung von Conrad Veidt als Satanas
verdient eine etwas eingehendere Würdigung. Hier scheint ein Idealtyp des
Filmschauspielers erreicht. Keine Uebertreibung, keine unfilmgemäße
Bewegung, sondern eine Innerlichkeit, ein mimisches Erleben, das die Nerven
des Zuschauers mitvibrieren läßt und ihn nahezu zwingt, die Worte
von den Lippen des Schauspielers abzulesen, noch ehe sie im Titel erschienen
sind. Dieses ausdrucksvolle, belebte Gesicht prägt sich unvergeßlich
ein. Inneres Erleben wird hier bildmäßig vollkommen wiedergegeben!
Wenn unser ganz auf Erotik und Sensation eingestelltes Publikum auch dem künstlerischen
Film einige Neigung entgegenbringt, dürfte die Victoria-Film-Ges. mit ihrem
Werk einen großen Erfolg haben.
Wbg. [Hans Wollenberg]
Satanas
Filmspiel in 6 Akten von Robert Wiene. Regie F.W. Murnau. Uraufführung am 29. Januar in den Richard-Oswald-Lichtspielen, Kantstraße. Drei in sich geschlossene Teile von je zwei Akten; alle drei zusammengehalten durch das Leitmotiv: Satanas. Der erste Teil ist ein Stück Alt-Aegypten mit seinen im Film immer wirkungsvollen Formen und Motiven. Pharao Kortner hat manches von Wegener aber auch viel Eigenes. Sadjah Gezza gibt der Nuri viel Schönheit und Temperament. Margit Barnay konnte aus der Phahi durch stärkere Charakterisierung mehr machen. Der zweite Abschnitt führt ins Italien der Renaissance, wo Laster und Ideale in engem Raum beisammen hausen. Else Berna ist eine sinnlich-dämonische Lucrezia Borgia. -- Die revolutionäre Gährung unserer Tage bildet den Stoff der dritten Abteilung. Martin Wolfgang, sonst vortrefflich, vergreift sich manchmal in den mimischen Wirkungen. Conrad Veidt spielt -- jedesmal in anderem Gewande -- den Satanas. Er ist kein Mephisto, nicht fühlloser, verneinender Rationalismus. Er ist ein sentimentaler Teufel -- satanisch schlecht, aber selber leidend unter der eigenen Bosheit. -- Das Bildhaft-künstlerische ist dem Spielleiter Murnau durchaus gelungen. Er weiß Szenen von packender Schönheit zu schaffen. Die große Fülle der Texte aber sollte vermieden werden.
F. St.
Satanas
Man sah die Uraufführung des Filmwerks "Satanas". Der Inhalt
ist kurz folgender: Satanas, der gestürzte Engel, hat Sehnsucht nach den
himmlischen Gefilden. Die Bedingungen, unter denen er zurückkehren darf,
dünken Optimisten leicht: Einen einzigen Menschen soll er finden, der Böses
mit Gutem vergilt. Aber der Film belehrt uns nachdrücklichst, daß
ein solcher Mensch hienieden noch nicht gewandelt sei, und die Pessimisten unter
den Zuschauern können sich am Schluß ins Fäustchen lachen. Den
Satanas spielt Conrad Veidt. Sein Können in der Gestaltung des Dämonischen
hat er schon öfter gezeigt, und hier steht sein Spiel auf der Höhe
seiner früheren Leistungen. Nicht sehr glücklich gewählt ist
das Schlußbild. Der geschlagene Satanas hat in einer Höhle vor dem
Höllentor zu verschwinden. Man sieht Veidt, dem Publikum den Rücken
zukehrend und nur mit einem reichlich kurzen Hemd bekleidet. Die erheiternde
Wirkung des Bildes lag wohl nicht im Plan der Spielleitung. Die übrigen
Darsteller ragen über den Durchschnitt nicht hinaus, einige stehen darunter.
Die Handlung, die durch verschiedene Zeitalter führt, bietet Gelegenheit,
alle szenischen Künste zu bemühen. Es muß erwähnt werden,
daß die Regie sich diese Gelegenheit nicht entgehen ließ.
kp
Satanas
Oswald wagte als erster, im Film symbolisch zu kommen; nun zeigt man in seinen
Lichtspielen in der Kantstraße ein Werk, "Satanas", das stärker
auf das Symbolische gestellt ist. Der Kampf des Guten gegen das Böse im
Bösen selbst; und dieser Böse ist Conrad Veidt, der sich einen eigenen
Stil schafft, dem Film mit neuem Stil neue Wege öffnet. Aus der Kleinlichkeit
der Photographie, des allzu Konkreten hebt sich dieser Film zu malerisch-starker
Gesamtwirkung. Ein Versuch, gegen Ende etwas entgleitend, doch wert, zielbewußt
wiederholt zu werden.
Fgd. [Karl Figdor]
Satanas
Trotzdem es ein Mißlingen war, muß diesem Film die Dichtung bezeugt werden. Der Regisseur Murnau und der Schriftsteller Wiene haben den tiefen künstlerischen Willen zum Stil gezeigt, zur typisierenden Kunstform, der das einzelne Ereignis, der einzelne Mensch nur Beispiele sind für die These und die ewige Gültigkeit ewiger Gesetze. Satanas, der Unerlöste, die Menschengestalt, in der das Böse, das Prinzip der Verneinung und Vernichtung Seele und Gott geworden ist, zieht durch die Zeitalter. Ohne Eindruck blieb die Mär vom Pharaonenland: der erste Teil. Man erkennt, und das ist das Lehrreiche an der Angelegenheit, daß die festgefrorene Linie dieses altägyptischen Lebens unfilmmäßig ist. Mehr als sonstwo verlangt die Wandelleinwand nach Natürlichkeit und einer Geste, die -- ganz ohne Fesseln -- logisch aus dem Augenblick geboren ist. Das zeigt auch die Grenzen der Stylisierung überhaupt: Sie wird dann immer ein Fehlschlag sein müssen, wenn sie Menschen in photographisch voll gezeigter Gestalt nach einem Rhythmus bewegt, der nicht mit dem Fluß und Rhythmus der Handlung sich völlig deckt. Es wird sonst Dissonanzen geben, die, gleichsam, in die Urmusik der Seelen derer, die da schauen, Unruhe und Verwirrung bringen. Will man stilisieren (und ich wenigstens bin der unwandelbaren Ansicht, daß die künstlerische Zukunft des Films hier einen der Wege hinanfindet, der gegangen werden muß), dann muß man nicht mit der der Bewegung, sondern der der Optik sozusagen beginnen. Ein Beispiel von gestern: Die Idee, Satan nach jedem der drei Einzelteile als den Leidtragenden zwischen den Vorhängen zu zeigen, ist an sich famos. Der dreifach einige [p. 29:] Teufel trägt als Karyatide die Decke des dreigeteilten Baus. Aber: ich habe mit Bedauern feststellen müssen, daß das Publikum bei diesem Conrad Veidt im teuflischen Kostüm so gar nichts verteufelt Gruseliges empfindet. Das liegt nicht an Veidt, der der beste Darsteller im heut' so weiten Reich der Totenköpfe ist. Das liegt an seinen diesmaligen Brotherren: Verrat an der Hölle, Verrat am hochheiligen Recht aufs Gruseln, die Majestät des Bösen halbnackt, die Achselhöhlen rasiert, vollscharf vom Objektiv erfaßt, dem Parkett gegenüberzustellen. Bei Wahnvorstellungen jeder Art liegt der Hauptnachdruck nicht auf der Vorstellung, sondern auf dem Wahn. Auf dem, was unfaßbar ist, was ein Schemen ist -- zerfließend, wenn wir es ergreifen wollen, das jenseits jeder Menschenalltäglichkeit, jenseits aller Menschengestalt Webende, Lebende. . . .
So hätte man auch Satanas Veidt als Schemen zeigen müssen, nicht ganz gut genährt, sondern zerfließend: als Urnebel gleichsam, aus dem unter Gebrüll Faust' symbolischer Pudel kriecht.
Die künftigen Baumeister am Stiltempel des Films mögen es beherzigen.
Dr. J.B. [J. Brandt]
"Lucifer" in Neubabelsberg
Apage Satanas!
Pyramiden, Lucrezia Borgia und der Anarchist. -- Die lebenden Karyatiden. -- Lucifer mit der Zigarettendose. -- Revolution und Schnupfen. -- Das Schamgefühl der Ausgewiesenen. -- Nuri, die unglückliche Harfenspielerin.
Lucifer wandert ruhelos durch die Welt. Von Gottes Thron verstoßen, muß er das Licht in der Finsternis suchen, das Gute im Bösen, um wieder aufgenommen zu werden, aus deren Reihen er verjagt wurde.
Augenblicklich ist er in Neubabelsberg. Drei weltgeschichtliche Epochen sind lebendig geworden, das Pharaonenreich, die sinnlich-schwüle, lüstern-grausame Zeit der Borgias und das Revolutionsfieber unserer Tage. Drei Episoden aus Lucifers großem Kampf um den Aufstieg zum Licht. Er führt die Menschen, gibt ihnen Macht, Einfluß, Schönheit, Reichtum, aber er führt sie in seinem Sinne, in einem Geist, der "stets das Gute will und das Böse schafft". Pharao, der sich allmächtig dünkt, Lucrezia Borgia, die ihrer Leidenschaft hemmungslos die Zügel schießen läßt, der junge Revolutionsfanatiker, der aus seiner weltfremden Menschheitsliebe zur blutigen Tat getrieben wird, sie alle glauben, ihren eigenen Weg zu gehen und sind doch nur Spielbälle in Lucifers Hand.
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Ernst Stern hat in dem engen Raum des Glashauses das ägyptische Milieu geschaffen. Gerade Flächen, einfache Säulen, im Hintergrund der weite Ausblick auf die Pyramiden. In der Mitte steht breit und wuchtig Pharaos Thron. An den Wänden lebende Karyatiden, weibliche Akte mit Tierköpfen, ein Krieger mit geradezu vorbildlichem Muskelbau, braun, sehnig, von bezwingender Kraft. Die Ausdrucksform dieser lebendigen und in ihrer hieratischen Haltung doch so starren Plastik kann wohl kaum von einer Nachbildung erreicht werden.
In diesem Raume bewegen sich Figuren. Speerträger, Bogenschützen, nubische Sklaven mit schwarz glänzenden Körpern, die Würdenträger in wallenden Gewändern mit der wolligen, stilisierten Haartracht und den schmalen, geflochtenen Bärten, die an einem dunklen Band zu hängen scheinen. Die Männer aus dem Volk mit glatten Köpfen in der enge angeschmiegten charakteristischen Haube. Aufhorchend hocken sie da, im Kreis um den Thron geschart, auf dem, satt und stiernackig, Pharao sitzt. Die dunklen Augen stieren, ein Zug von Wollust und Grausamkeit liegt auf den Lippen, brutal treten die Backenknochen aus dem massigen Kopf hervor, der schwer und vom Genuß müde, auf den ausladenden Schultern lastet: Fritz Kortner, der als Beethoven im Film durch Porträtähnlichkeit verblüfft hat.
Hinter ihm, lang und hager, in einen härenen Mantel gehüllt, Lucifer als Traumdeuter. Das asketische Gesicht, die durchgeistigten Augen, die hohe Stirn, unverkennbar trotz der langen, weißen Haare und des ungewohnten Kostüms: Conrad Veidt. Krampfhaft hält er die silberne Zigarettendose in der Hand, obwohl sie mit der Rolle nicht viel zu tun hat, aber erstens muß der Mensch doch rauchen, wenn er auch zufällig Lucifer ist und in Ägypten lebt, und zweitens baut man so am besten einem Diebstahl vor. Erst knapp vor der Aufnahme verschwindet das nicht ganz stilvolle Requisit.
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Zu Beginn gibt es eine kleine unbeabsichtigte Revolution. Die Komparserie fühlt sich in ihrem Schamgefühl bedroht, weil man von ihnen verlangt, mit nacktem Oberkörper zu agieren. Vergeblich klärt Dr. Murnau, der Regisseur, sie darüber auf, daß er ihnen beim besten Willen den Cutaway nicht zugestehen könne, weil die alten Ägypter nun schon einmal ihre besonderen Ansichten über Herrenkleidung gehabt hätten und es heute zu spät sei, sich mit ihnen über derartige Geschmacksfragen auseinanderzusetzen. Es hilft nichts. Und wie es jetzt eben üblich ist, werden gleich Volksversammlungen abgehalten, Volksredner treten auf, die Kluft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern wird aufgerissen, mit einem Wort: man spielt Revolution. Durch verschiedene Honorarerhöhungen gelingt es aber endlich, die sittliche Entrüstung in Befriedigung umzuwandeln.
Nachträglich beteuert dann fast jeder einzelne dem Autor und künstlerischen Oberleiter Robert Wiene, daß eigentlich nur die andern die Anarchisten seien, während er selbst leider durch Halsschmerzen, Schnupfen oder ähnliche, allerdings nicht allein ethische Momente zu seiner ablehnenden Haltung gezwungen worden sei. (Nebenbei bemerkt: auch die diversen Leiden sind inzwischen spurlos verschwunden.) Und als Wiene ihnen klar macht, wie leicht doch bei gegenseitigem guten Willen die Arbeit sein könnte und wie überflüssig es sei, sich immer kampfbereit auf einen feindlichen Standpunkt zu stellen; als er fragt, was wohl geschehen würde, wenn die Fabrikanten sich einmal entschlössen, eine Zeitlang nur Filme ohne Komparserie zu drehen -- da geben ihm ausnahmslos alle recht. So ist das alte Lied bei den Leuten vom Theater: große Kinder, die sich am Glauben an ihre eigene Bedeutung berauschen und dann selbst erstaunt sind, daß sie es so ernst gemeint haben.
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Auch die Arbeiter entdecken plötzlich ihr Schamgefühl. Sie finden es nämlich unerhört, daß man sie -- wie übrigens alle Anwesenden männlichen Geschlechts -- aus dem Atelier weist, als Ernst Stern die Modelle für die Karyatiden aussucht und die künstlerische Anordnung der Figuren trifft. Sie laufen zur Direktion und führen Klage, daß im Atelier unerlaubte Dinge geschehen. Denn was könnte es wohl anders sein, wenn man es vor ihren Blicken verbirgt. Von dem unerotischen Kontakt des Künstlers zum Modell haben sie keine Ahnung; daß Stern gerade aus Gründen des Anstandes alle unnützen Zuschauer entfernt, verstehen sie nicht. Und dann: wenn wirklich etwas Pikantes vorgeht, dann wollen sie doch auch dabei sein!
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In einen farbigen Schal gehüllt, das schwarze Haar durch ein goldenes Band zusammengehalten, schleicht ein weibliches Wesen ruhelos umher: die Harfenspielerin, Sadjah Gezza. Seit neun Uhr ist sie schon bereit, immer müder werden ihre Blicke, immer schleppender ihr Gang, ihre Szene kommt noch immer nicht heran. Im Atelier ist es zu heiß, im Garten draußen im Schatten zu kühl. Sie ist tief unglücklich.
Für eine kurze Spanne Zeit erwachen ihre Lebensgeister: sie sitzt malerisch auf einer Stufe und verzehrt mit beruhigendem Appetit einen Rostbraten mit Gurkensalat. (Neben ihr, an eine Säule gelehnt, tut Veidt desgleichen.) Dann beginnt das Unglück von neuem.
In einer Pause zwischen zwei Aufnahmen sinkt sie ermattet auf den herrenlosen Thron. Sie wirkt tatsächlich reizend in der lässigen Haltung, mit den träumerisch (oder verschlafen?) blickenden Augen und der feinen Nackenlinie. Und schon ist Freund, der Operateur, zur Stelle, um in einem Photo das Bild festzuhalten.
Endlich, um 5 Uhr, soll die ersehnte Szene gekurbelt werden. Sadjah liegt mit ihrer Harfe zu Füßen des Thrones, ihr Spieltemperament wird lebendig, endlich, endlich! Da geschieht das Furchtbare. Freund erklärt, die Beleuchtung sei zu schlecht. Alles weitere morgen! Ein Tobsuchtsanfall ist harmlos im Vergleich zu dem, was jetzt geschieht. Aber es ist auch wahrhaftig roh, das lodernde Talent so zu unterdrücken.
Zehn Minuten später stolpern sie alle, Krieger und Weise, Pharao, Lucifer und Nuri, das Harfenmädchen, eilends durch den kleinen Wald, um den Zug nach Berlin zu erreichen.
"Satanas", der neue große Film der Victoria-Film Co., dessen Handlung sich über drei Jahrtausende erstreckt, ist soeben fertig gestellt worden. Der Film zerfällt in drei Teile, dessen erster in der Zeit der Pharaonen spielt. Die Heldin des zweiten Teils ist Lucrezia Borgia. Der dritte, moderne Teil behandelt Probleme der neuesten Gegenwart. Das [eigenartige] Manuskript stammt aus der Feder von Robert Wiene. Regie: F.W. Murnau. Die Ausstattung lag in den Händen des Kunstmalers Ernst Stern vom Deutschen Theater. Conrad Veidt spielt die Titelrolle. Die übrigen Hauptrollen des figurenreichen Film werden von den Damen Margit Barnay, Marija Leyko, Else Berna, Sadja Gezza und von den Herren Ernst Hoffmann, Fritz Kortner, Ernst Stahl-Nachbauer, Kurt Ehrle und Martin Wolfgang dargestellt.
Film-Kurier (Berlin) vol. 1, no. 114, 17 Oct 1919, p. 3 [squared bracket not in Film-Kurier] Der Film (Berlin) vol. 4, no. 39, 27 Sep 1919. |
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Last update (this page): 21 Jul 2004.
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