CONTENTS DATA SHEET ABSTRACT REVIEWS NOTES ADS ADAPTATIONS LITERATURE |
DER JANUSKOPF -- EINE TRAGÖDIE AM RANDE DER WIRKLICHKEIT
aka SCHRECKEN (preview title) JANUS-FACED aka HEAD OF JANUS aka LOVE'S MOCKERY |
|
Directed by: | Friedrich Wilhelm Murnau. |
Written by: | Hans Janowitz (from the novella "The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde" by Robert Louis Stevenson). |
Production company: | Lipow-Film, Berlin. |
Photography: | Karl Freund, Carl Hoffmann. |
Set design: | Heinrich Richter. |
Cast: | Conrad Veidt (Dr. Warren & Mr.
O'Connor), Margarete Schlegel (Grace aka Jane), Magnus Stifter (Utterson, Warren's friend and lawyer), Willi Kaiser-Heyl, Margarete Kupfer, Danny Gürtler, Gustav Bötz, Jaro Fürth, Hans Lanser-Ludolff, Marga Reuter, Lanja Rudolph, Béla Lugosi. |
Studio / Locations: | Film-Ateliers am Zoo, Cserépy-Atelier. |
Première: | 26 Aug 1920, Marmorhaus, Berlin. (Preview 28 Apr 1920). |
Censorship data: | Berlin 21 Aug 1921 (no. 332), 6 acts, 2222 m, cut to 2220,75 m, Decla-Bioscop A.-G., Berlin, prohibited for children. |
Restoration data: | The film is considered as lost. |
An adaptation of Stevenson's Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde. Hans Janowitz (of CALIGARI fame) wrote the script, F.W. Murnau directed, and Conrad Veidt once again starred in a demonic role. As with NOSFERATU, his other adaptation of a classic horror tale, Murnau couldn't obtain the rights for the original story, so he changed the names and let Veidt act as "Dr. Warren and Mr. O'Connor".
Martin Proskauer
"Schrecken"
Dr. Jekyll und Mr. Hide
Interessentenvorführung beim Lipow-Film
Das Thema des phantastischen Films ist seit geraumer Zeit beliebt, und damit
hat die Filmkunst einen guten Schritt vorwärts getan, denn er führte
in unbestelltes fruchtbares Gebiet. Wir haben die "Nachtgestalten"
gesehen, die "Unheimlichen Geschichten", "Das Kabinett des Dr.
Caligari", den Film "Der Andere" (nach dem Roman von Lindau)
und mit diesem letzten sind wir auf den unmittelbaren Vorläufer des "Schrecken"
gekommen. Denn dieser Film ist aufgebaut auf der Handlung des weltbekannten
Romans von Stevenson "Dr. Jekyll und Mr. Hide".
Bekanntlich ist Jekyll und Hide ein und dieselbe Person, ein Londoner Gentleman,
der dem geheimnisvollen Zwang einer Doppelnatur folgend, zeitweise in den Paroxysmus
eines wilden Tieres verfällt und im Dämmerzustand grausige Taten begeht.
Diese Aufgabe, den korrekten Mann höheren Standes und den besessenen
Verbrecher darzustellen, mußte manchen Darsteller reizen. Hier ist Konrad
Veidt der Träger der Doppelrolle. Und er füllt sie aus, er lebt in
ihr, wie es wohl kein anderer deutscher Schauspieler vermag. Man kann bereits
im phantastischen Film zwei Typen von Hauptrollen unterscheiden, den hysterischen,
gleichsam unter hypnotischem Zwang stehenden Mann und den Epileptiker, den organisch
Kranken. Der erste Typ wird vollendet von Veidt verkörpert, wie ihn auch
seine äußere Erscheinung dazu prädestiniert (man denke an den
Somnambulen im "Caligari"), der andere Charakter ist eigenstes Gebiet
von Werner Krauß ("Dr. Caligari", Smerdjakoff in den "Brüdern
Karamasoff").
Hier im "Schrecken" spielt also nur Veidt. Man ist gepackt und gespannt,
selbst wenn man alle Weiterentwicklungen der Fabel kennt, man will sehen, wie
er die immer stärkeren Schwierigkeiten der gewaltigen Doppelrolle besiegt.
Denn Veidt spielt, er spricht mit dem Körper, mit den Händen (Ihr
andern, lernet doch von ihm die Sprache der Hände), nicht mit dem Mund.
Veidts Können ist so groß, daß er sogar auf das lauernde Kuschen,
die eine Schulter voran, verzichten sollte, denn diese Haltung fängt an,
Schema zu werden: ich sah sie noch in jedem phantastischen Film. Aber trotzdem,
wenn Veidt so etwas macht, so hebt er es wieder aus dem Konventionellen heraus
zu individueller Bedeutung.
Eine Szene, wie die in er Wohnung des Mr. Hide, als der Besessene die zarte
Grace betastet, sie dann laufen läßt, sich an ihrer Angst weidet,
ihr befiehlt, zum Trinken zu holen und den Mantel anzuziehen, wie da alles in
den Händen liegt, diesen zuckenden, gierigen Gliedern -- dies ist pantomimische
Kunst im besten Sinne.
Die Gestalt der Grace, der von Dr. Jekyll geliebten Tochter seines Freundes,
war bei Margarete Schlegel gut aufgehoben; in ihrem Spiel lag eine gewisse schüchterne
Zurückhaltung, die angenehm wirkte. Zu wilde Gesten und Grimassen hätten
wie eine Nacheiferung Veidts ausgesehen und dessen Effekte gestört.
Auch Magnus Stifter als Rechtsanwalt Utterson war gut in Spiel und Ausdruck.
Die Regie (Murnau) hatte geschmackvolle und manchmal wirklich englisch anmutende
Interieurs geschaffen, die nobel, aber nicht protzig wirkten. Viele Szenen spielen
in einem dämmrigen Halblicht, das die Phantastik bedeutend unterstützt,
so ist z.B. die Szene auf dem Platz, als Hide das Kind überfällt,
von schauriger Glaubwürdigkeit.
Es wäre vielleicht gut gewesen, auch die Szenen, in denen die rationalistische
Glaubfähigkeit des Zuschauers stark auf die Probe gestellt wird, in mystisches
Halbdunkel zu hüllen, die Bilder aus dem Laboratorium, der Traum u.a. hätten
dadurch noch gewonnen. Denn so prachtvoll Veidt den jähen Übergang
vom Gentleman zum Raubmenschen spielt, so seltsam ist der Wandel, den seine
Frisur dabei durchmacht, die plötzlich vom struppigen Schopf zur mondänen
Glätte gebändigt erscheint. Je mehr solche Dinge aus dem zu hellen
Schein der Lampen in die Dämmerung der Wirklichkeitsgrenzen verlegt werden,
desto stärker wird der künstlerische Eindruck sein.
Der Gesamteindruck aber, der durch geschicktes Entfernen kleiner Unebenheiten
und Bedenklichkeiten erhöht werden kann, ist der einer sehr guten und wirkungsvollen
Leistung.
Das Phantastische im Film ist nun längst als Gewinn anerkannt, die Möglichkeiten
des Grausigen und Schrecklichen, des Seelisch-Düstern und Unheimlichen
sind fast bis auf alle Nuancen abgewandelt.
Wann kommt nun der fröhliche phantastische Film, das Spiel, das uns die
Sinnlosigkeit des Lebens und den Zwiespalt unserer Seelen nicht noch schwerer
empfinden läßt, sondern uns erleichtert und uns fröhlich macht?
Anonymous
Der literarische Film
[Double review of "Die entfesselte Menschheit" (Nivo) and "Schrecken"
(Lipow), excerpt]
[... p. 18:] Die neu begründete Lipow-Film-Gesellschaft hat der
Presse in diesen Tagen ihr neues Filmwerk unter dem Titel "Schrecken"
vorführen können. Wenn man den Films der vielen Neugründungen
oft sehr skeptisch gegenüber steht, weil viele Unberufene sich zur Herstellung
von Films berufen fühlen, so darf man das Mißtrauen dieser Firma
gegenüber von vornherein fallen lassen, weil der Inhaber ein alter Fachmann
ist. So ist es auch zu erklären, daß schon der erste Film von zweifellos
guter Qualität ist und dem Geschmack des großen Publikums Rechnung
trägt.
Der Film "Schrecken" hat das Phantastische zum Grundton. Das Sujet
ist aufgebaut auf der Handlung des bekannten Romans von Stevenson, in dem die
Doppelnatur eines Dr. Jeckyll geschildert wird. Dieser Gentlemen wohnt in einer
luxuriösen Wohnung und verkehrt mit den ersten Kreisen, aber das Böse
in ihm tritt periodenweise so in Erscheinung, daß er in einem gewissen
Dämmerzustand alle möglichen Verbrechen verübt.
Die Hauptrolle dieses Dr. Jeckyll hat Conrad Veidt in geradezu bewunderungswürdiger
Virtuosität zur Darstellung gebracht. Auf der einen Seite der elegante
Lebemann, auf der anderen Seite die Verbrechernatur, die dem Zwange gehorchend
alle Schandtaten ausführt. Nur ein Künstler wie Veidt war einer solchen
Rolle gewachsen.
Neben ihn tritt in der weiblichen Hauptrolle Frl. Margarete Schlegel besonders
hervor, die ihrer Rolle als Grace eine starke dramatische Wirkung zu geben versteht.
Die Regie, für die Herr Neumann zeichnet, versteht es, dem Ganzen ein einheitliches
Gepräge zu geben. Die Interieurs sind sehr geschmackvoll gestellt, die
einzelnen Bilder von guter plastischer Wirkung. Die Handlung ist von Akt zu
Akt dramatisch sich steigend aufgebaut und erregt bei dem Beschauer bis zum
Schluß das gleiche Interesse. Alles in Allem: Es ist ein guter Publikumsfilm
mit starken künstlerischen Akzenten.
L. K. Fredrik
"Der Januskopf"
Marmorhaus
Es spukt mancherlei in diesem Film, den Hans Janowitz nach einer englischen
Idee bearbeitet hat. Sagt er. Es mag auch sein, daß das zutrifft. Jedenfalls
sind dann in dieser englischen Idee allerhand Elemente enthalten, denen man
in Edgar Allan Poe, noch mehr in Oskar Wilde, im "Studenten von Prag"
und, in gewissem Sinne, auch in "Trilby" begegnet sein dürfte.
Die Patenschaft ist also zahlreich. Daß sie gut ist, zeugt für den
guten Geschmack dessen, den die Idee befiel, und des Herrn Janowitz. Irgendwie,
irgendwo und irgendwann ist sogar einmal ein seltsam verwandtes Sujet aufgegriffen
und verarbeitet worden. Jedenfalls kann es eindrucksvoll nicht geschehen sein,
da die Erinnerung daran nur verschwommen ist. Es muß zugegeben werden,
daß der Vorwurf zur Verarbeitung lockt.
-- -- --
Wie diese Aufgabe bewältigt wurde, dafür legte am ausgezeichnetsten
Conrad Veidts Glanzleistung Zeugnis ab. Mit ihm, den Darsteller des Dr. Warren,
fiel oder gelang der ganze Plan. Er gelang. Das ist die Hauptsache und erweist
die Berechtigung, die Verfasser und Regie besaßen, nach diesem Stoff zu
greifen.
-- -- --
"Der Januskopf" -- "Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust."
Aber nicht die "materielle" Seele, die sich "in derber Liebeslust
an die Welt mit klammernden Organen" hält, soll zur Illustration gelangen,
sondern die Seele, die, durchzuckt von bösen Trieben, im Dienste des Bösen
das Böse will und auch das Böse, nur das Böse schafft. Nicht
steht der Erfolg als veredelnder Ausgleich, wie hinter dem Faustschen Mephistopheles,
hinter diesem verbrecherischen Tun. Die "derbe" Seele Goethes ist
ein ganz nützliches und brauchbares Organ -- wollens doch nicht leugnen!
Die "Gefilde hoher Ahnen" -- nun schön -- aber auch der Augenblick
hat seinen Reiz und seine Freude. Goethes Mephisto ist geradezu ein Engel gegen
diesen Dr. Warren, der als O'Connor Verbrechen über Verbrechen begeht.
Und Goethes Dr. Faust, der die andere, die "edle" Seele, die sich
"gewaltsam von dem Duft trennen" will ("wer immer strebend sich
bemüht" etc.), verkörpert, verhält sich dem edleren Teil
des Doktor Warren gegenüber wie ein Eichbaum zum Grashalm. Von den Guttaten
des Dr. Warren erfahren wir nichts, es sei denn die (von Conrad Veidt meisterlich)
angedeutete Reue, bisweilen Verzweiflung über das andere "Ich".
-- -- --
Also so ganz ist es dem Forscher, eben diesem Dr. Warren, doch nicht gelungen,
das Gute vom Bösen im Menschen zu scheiden. Sonst wüßte das
Gute vom Bösen so wenig, wie das Böse es vom Guten weiß, wenn
es an der Tat ist. Sonst dürfte nicht allein das Böse in Tatendrang
schwelgen, sonst müßte das auch das Gute. Was indes, wie gesagt,
nicht der Fall ist. Dr. Warren ist für gewöhnlich ein ganz normaler
Mensch. Nur wenn er sein "böses" Elixier verschluckt hat, dann
wird er die Bestie, die da mordet und schändet, die Kinder und Greise zu
Opfern sich auswählt, die mit gierigen Augen und gierigen Händen in
fremden Schmerzen wühlt. Er wird es dann schon äußerlich --
der sympathische, gerade gewachsene, nette, junge Mann (der Herr Veidt -- bitte,
sich zu überzeugen! -- in Wirklichkeit ist) wird zu einem krummrückigen,
gedruckten, lauernden, haarigen, affenartigen Subjekt. Dr. Warren ist dann O'Connor
und zieht auf Verbrechen aus, und Verbrecher sind seine Schlepper und Helfer.
Dr. Warren hat also eigentlich nur das Elixier des Bösen gefunden. Daß
es über ihn Gewalt gewinnt, ist sein persönliches Pech. Er erhofft
-- ganz Fliegender Holländer! -- Erlösung durch die Liebe eines reinen
Mädchens oder die reine Liebe eines Mädchens. Aber hat er nicht dieses
Mädchen als O'Connor befleckt? Hat er diese Liebe nicht selbst beschmutzt,
indem er überhaupt zuließ, daß in ihr Zweifel über ihn
aufstiegen? Gewiß! Deshalb wird ihm Mädchen wie Liebe versagt, und
(da er sich durchaus nicht immer strebend bemüht hat) muß er sterben.
Eben noch Dr. Warren, aber von dem Drang besessen O'Connor zu werden und nicht
mehr im Besitze des Gegengiftes, das die Wirkungen der vielen Dosen Bosheitselixier
paralysieren könnte.
-- -- --
Man sieht scharf, logschiert hat der Verfasser die (englische) Idee nicht durchgeknetet.
Sonst wäre dieser Schluß nicht möglich. Psychologisch ist festzustellen,
daß Dr. Warren eine moralisch nicht ganz taktfeste Natur sein muß.
Das Böse kann nur Wurzel schlagen, wo es Boden findet. Und bei Dr. Warren
findet es sehr guten Boden. Darüber bliebe keine Täuschung. Darüber
helfen auch keine Reue und keine Verzweiflung (selbst Conrad Veidts nicht) hinweg.
-- -- --
Wie bemerkt -- die ganze Filmtragödie, die aus einem Vorspiel (das eigentlich
nicht nötig gewesen wäre, "Alraune" hat nämlich, wenn
auch anders, auch eines!) und sechs Akten besteht, (von denen der vierte und
fünfte besser zusammengezogen worden wären) steht und fällt mit
dem Darsteller des Dr. Warren -- O'Connor. Conrad Veidt besitzt das weltmännisch-elegante,
gentlemenlike-Gelassene, vornehm-Blasierte, das Geistige, das Durchgeistigte,
die Ruhe des großen Herrn von Welt. Und er ist andererseits von scharfer
Charakteristik, von eindrucksvoller Geste, zwingender Mimik und grotesk-abscheulichen
Möglichkeiten. Er hat eine erstaunliche Leistung vollbracht, für die
ihm Verfasser und Regisseur herzlich Dank wissen sollen. Über ihn steht
Margarete Schlegel als die reine Unschuld, die ihm die Erlösungstat schließlich
versagt und (noch nicht ganz vollendet im Ausdruck) über die Erkenntnis,
daß Dr. Warren und O'Connor ein und dieselbe Person sind, vor Entsetzen
den Verstand verliert. Sie spielt jung und schlank und eindrucksvoll. Auch die
übrige Besetzung war durchaus gut. Magnus Stifter, Magarete Kupfer, Gustav
Bötz, Willy Kaiser-Heyhl, Jaro Fürth, Marga Reuter, Lanja Rudolph,
Danny Gürtler (!) nannte der Theaterzettel. Andere verschwieg er.
-- -- --
Der Regisseur F. W. Murnau war ausgezeichnet. Einige Kürzungen, leicht
zu bewerkstelligen, würden gut tun. Verschließen des Testaments im
Geldschrank -- selbstverständlich. Die Massenszenen am Obelisk (es war
doch einer?) aus dem Traum -- überflüssig und sogar störend.
Dann die Aktzusammenschweißung! Sonst aber alles tadellos. Wie die Photographie,
die stellenweise glänzend war. Die Augen O'Connor -- ausgezeichnet. Den
Herren Freund und Hoffmann Lob zu sagen, ist Überflüssigkeit. Dekorateur
Richter ist ein Meister in seinem Fach.
-- -- --
Ein Publikumsfilm? -- Wir bezweifeln es. So gut er auch sonst ist. Die Überspannung
des Grausigen (ohne psychologische Notwendigkeit und den Gegenklang des Guten),
die katastrophale Disharmonie, in der der Film ausklingen muß, dazu eine
gewisse Verzwicktheit der Handlung, die erst am Schluß und etwás weitschweifig
gelöst wird (wenn sich die Spannung auch bereits etwas gelockert hat) --
das alles entspricht nicht so durchaus dem nach leichter Ware begehrenden Publikum.
Der Film wird vor erlesenem Kreise immer wirken; die anderen sehen nur die Sensationen
in ihm, die Nebensache sind und ihnen deshalb längst nicht kraß genug
gegeben sein dürften. Erfolg nach dem starken zweiten und dritten Akt und
dem Schluß. Man feierte Veidt. Wie es sich gebührte.
rg
Der Januskopf
Als der Veidt-Film, der am Donnerstag über die weiße Wand des Marmorhauses
lief, noch den weit glücklicheren Namen "Schrecken" führte,
widmeten wir ihm bereits einen Artikel. Heute sei daher nur festgestellt, daß
der Film sonst (d.h. bis auf den Titel) nichts eingebüßt hat und
durch seine athemraubende Spannung den großen Erfolg errang, den wir ihm
prophezeihten. Conrad Veidt sei zu seiner nicht übertreffenden Meisterleistung
herzlich beglückwünscht und ebenso der Bioscop-Verleih zum Erwerb
dieses Kabinettstückes.
t
Januskopf
Der Detektivfilm ist erschöpft, das Gesellschaftsdrama auf der stummen
Leinwand nicht variationsfähig genug -- bleibt als das dankbarste Gebiet
für den Filmautor das Reich des Wunderbaren. "Caligari" war bewußt
aus dem Zeitmilieu hinweg in ein bizarres Traumland verlegt, der "Januskopf"
von Hans Janowitz bewegt sich dagegen absichtsvoll "am Rande der Wirklichkeit".
In den Rahmen der Alltagsumgebung eingeengt, wirkt das Unheimliche um so explosiver.
Die Novelle, die dem Film zugrundeliegt, ist eine der besten und -- quälendsten
Doppelgängergeschichten, kompliziert in der Exposition und kompliziert
in der Spannungsmomente häufenden Steigerung zur Katastrophe. Daß
davon bei der Umschöpfung in den Film nichts verlorenging, ist eine außerordentliche
Leistung, ist Neu- nicht Umschöpfung. Der Film kann nicht erzählen;
wer ihn dazu zwingt, der drosselt ihm mit den lang sich abspulenden Bändern
die dramatische Lebensluft ab. Der Film kann nur klug herausgeschnittene Episoden
bringen und diese Episoden müssen aus den eigensten Mitteln der Inszenierung
noch intensiver gestaltet werden. Das spannendste Buch kann ohne diesen Zuschuß
eigener Gestaltungsfähigkeit zum langweiligsten Drama werden. Alle diese
Klippen sind hier überwunden. Eingestreute Einfälle, wie die Unterstreichung
eines sensationellen Mordes durch das tolle Ausschwärmen einer Schar von
Zeitungsjungen, wie der Angsttraum, in dem eine unheimliche Gestalt sich zu
einem tobenden Haufen einander völlig gleicher Gespenster vervielfältigt,
solche Einfälle zeugen von einer glücklichen Hand. Schade nur, daß
die Zuschauer zu rasch über das Geheimnis der Doppelexistenz des Helden
sich klar werden und so ein Teil des Spannungsreizes verfliegt, nur weil ein
Bart ein wenig zu locker geklebt ist. Konrad Veidt, der die zweifache Rolle
mit erstaunlicher Wandlungsfähigkeit spielt, chargiert das grotesk scheußliche
Gebaren seines Doppelgängers ein wenig zu zwanghaft. Das Unheimliche muß
selbstverständlich sein, um umheimlich zu wirken. Aber es wird -- auch
um ihn herum -- gut gespielt. Und außerdem sind die Bilder im Ausschnitt
wie in der Lichtwirkung ausgezeichnet. Man hat, um die Schwarzweißmalerei
von Licht und Schatten fest in der Hand zu haben, für einen Teil der Straßenszenen
eigens plastische Kulissen erbaut, und das Experiment hat sich gelohnt. Im Parkett
rebellierte einer im Namen der realen Möglichkeit gegen die spukhafte Verwandlung
des Helden und schien sich nach einem ersatz-realistischen Sittenfilm zu sehnen,
aber er blieb in der hoffnungslosen Minderheit.
P--l [Fritz Podehl]
Der Januskopf
Uraufführung: Marmorhaus
Um es vorweg zu nehmen: Dieser 6 Akter "nach dem Englischen", von
Hans Janowitz für den Film eingerichtet, von Fred Murnau inszeniert, von
der Decla-Bioscop herausgebracht, hat Zukunft, ist einer der stärksten
Eindrücke der letzten Zeit.
Ein Dr. Warren setzt in Gegenwart seines Freundes und Anwalts sein Testament
auf, vermacht einem völlig Unbekannten sein ganzes Vermögen, ohne
sich auf irgend eine Erklärung dieser wunderbaren Bestimmung einzulassen,
die noch sonderbarer erscheint, als einige Zeit später der Name des Unbekannten
-- O'Connor -- mit einem Verbrecher in Verbindung gebracht wird, der eine Anzahl
scheußlichster Untaten verübt. Schließlich stellt sich heraus,
daß Dr. Warren und O'Connor ein und dieselbe Person sind. Warren glaubte
an die mögliche Trennung der Elemente des Guten und Bösen im Menschen,
erfand ein Elixier, kraft dessen er sie getrennt zu materialisieren vermochte,
experimentierte mit sich selbst, verwandelte sich in ein Scheusal, äußerlich
so teuflisch wie innerlich, beging in diesem Zustande die geheimnisvollen Verbrechen,
verwandelte sich durch ein Gegenelixier zurück in seine normale Gestalt.
Das Experiment reizte ihn zur häufigen Wiederholung, das "O'Connor
-- Sein" kam schließlich ohne Medikament, die Rückverwandlung
wurde dagegen immer schwerer; nur eine Apotheke führte das Hauptgift
des Gegenmittels, das eines Tages nicht mehr zu beschaffen war. Dr. Warren blieb
O'Connor, die Polizei heftete sich an seine Fersen, er tötet sich selbst,
nachdem er seinem Freunde in einem Briefe das entsetzliche Geheimnis gestanden
hat.
Man entschuldigt Unwahrscheinlichkeiten des Inhalts, den des Aufbaus durch Untertitel;
hier: "Eine Tragödie am Rande der Wirklichkeit". So muß
man das Phantastische gelten lassen. Es hat hier außerdem den Vorzug fabelhaftester
Spannung, und ist in sich nicht unwahrscheinlich. Zudem wird glänzend gespielt,
ist die Photographie ausgezeichnet, der Film gut geschnitten, auch sonst technisch
raffiniert und abgesehen von einem matteren fünften Akt mit erheblichem
Geschmack behandelt.
Conrad Veidt ist Dr. Warren -- O'Connor, nur halb er selbst, halb Werner Krauß,
jedoch sehr stark im Spiel. Ein Filmgewinn auch die junge Margarete Schlegel,
vorläufig noch um ein Geringes zu sehr im Bühnenstil befangen. Den
Freund gab Magnus Stifter unaufdringlich vornehm. Willi Kaiser-Heyl, Margarete
Kupfer, Danny Gürtler erschienen über eigene Durchschnittsleistungen
weit hinausgehoben.
Alles in allem: Seltene Qualität und doch ein Publikumserfolg.
L. B. [Ludwig Brauner]
Der Januskopf
Eine Tragödie am Rande der Wirklichkeit, sechs Akte, nach dem Englischen,
von Hans Janowitz. Regie: F.W. Murnau; Dekorationen: H. Richter; Photographie:
Karl Freund und Karl Hoffmann. Fabrikat: Decla-Bioscop-Sensations-Klasse. Verleih:
Decla-Bioscop, Berlin SW.
Das Phantastische der Handlung ist bereits in dem Untertitel "Eine Tragödie
am Rande der Wirklichkeit" angedeutet. Ein vornehmer und reicher Londoner,
Dr. Warren, Dr. med. und Dr. phil., beschäftigt sich lebhaft mit dem Problem
der Trennung der beiden Elemente des Guten und des Bösen im Menschen. Seinen
rastlosen Forschungen ist es gelungen, ein Elixier zu finden, das diese Trennung
ermöglicht, gleichzeitig aber auch ein Gegenmittel, das die verhängnisvolle
Wirkung wieder aufhebt. Die Probe, der er sich selbst unterzieht, ist von furchtbarer
Wirkung. Der Geist des Bösen in ihm wird frei und macht ihn zu einem Unmenschen,
dessen äußere Gestalt sich seinem Innern gleich grauenhaft verändert.
In dieser Gestalt, in der er sich den Namen O’Connar zulegt und für die
er eine besondere Wohnung draußen in Whitechapel, im Verbrecherviertel
Londons, mietet, begeht er allerlei Verbrechen, erschlägt in bestialischer
Weise einen Menschen und raubt die liebliche Grace, die Tochter eines alten
Freundes, von deren Reinheit er Erlösung hoffte. Denn der unheimliche Drang,
der ihn immer wieder zu dem verhängnisvollen Elixier treibt, wird immer
stärker, schließlich bemerkt er mit Schrecken, daß die Veränderung
von selbst eintritt, in immer kürzeren Pausen, und daß selbst die
doppelte und dreifache Dosis des Gegenmittels nur für kurze Zeit hilft.
Wegen der Verbrechen verfolgt, kann er eines Tages nicht in seine Wohnung zurück.
Der Grundstoff des Gegenmittels ist in den Apotheken ausgegangen und erst in
Wochen wieder zu haben. Nur eine Dosis für einmal ist noch in seinem Laboratorium
vorhanden, und er bittet seinen alten Freund Laue durch einen Brief, sie zu
holen und nach seiner (Laues) Wohnung zu bringen. Hier verwandelt er sich ein
letztes Mal vor des Freundes Augen in den Dr. Warren zurück. Der alte Herr
stirbt vor Schreck, seine Tochter Grace, die ebenfalls Augenzeugin gewesen ist,
wird wahnsinnig. Warren rast nun in seine Wohnung zurück, um seinem Leben
ein Ende zu machen. Vorher setzt er noch eine Beichte an einen anderen Freund
auf, aber noch während des Schreibens verwandelt er sich wieder in den
scheußlichen alten O’Connar und der herbeigeeilte Freund findet die Leiche
O’Connars, mit dem Brief in der Hand, der ihm das Rätsel löst.
Die ganz auf Sensation gestellte Handlung ist packend von Anfang bis zu Ende;
die, wenn man so sagen kann, bei offener Szene eintretenden Verwandlungen sind
ein technisches Meisterstück von vollendeter Wirkung. Hier ist der Film
dem Theater überlegen. Was auf der Bühne einfach unmöglich ist,
vollzieht sich auf der weißen Wand mit verblüffender Selbstverständlichkeit:
Das schmale, durchgeistigte Antlitz Conrad Veidts, der den Dr. Warren mit glänzender
Beherrschung der Rolle spielt, verwandelt sich fast unmerklich in eine widerwärtige,
wildbehaarte, stopplige Fratze, die Gestalt krümmt sich, wird ein vollkommen
anderer Mensch. Etwas störend wirkten nur einige Großaufnahmen, bei
denen man die Maske zu deutlich sah. Conrad Veidt hat es in der Darstellung
derartiger bizarrer Gestalten zu einer fabelhaften Virtuosität gebracht
und überrascht immer wieder durch neue Ausdrucksmöglichkeiten. Neben
ihm waren Willy Kaiser-Heyl, Magnus Stifter, Margarete Schlegel sowie alle übrigen
Darsteller durchaus auf der Höhe. Unter den photographisch sehr guten und
szenisch reich ausgestalteten Bildern fielen besonders einige blau viragierte,
nächtliche Straßenbilder auf, Atelieraufnahmen mit hübschen
Lichteffekten.
Hans Yanow, Autor des Dramas "Ewiger Strom", dessen Schilderung in der letzten Nummer des "Illustrierten Filmkurier" enthalten war, hat ein neues Manuscript beendet, das von der Veidt-Film-Ges. erworben wurde und unter Regie F. W. Murnaus mit Conrad Veidt in der Titelrolle in Szene geht. Dieses Werk führt den Titel "Schrecken," eine Tragödie am Rande der Wirklichkeit (nach Stevenson).
Film-Kurier (Berlin) vol. 2, no. 34, 10 Feb 1920, p. 3.Der Januskopf is an adaptation of the "Jekyll and Hyde" story. Here is a selected list indicating other important treatments of the subject.
1886 | The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde Novella by Robert Louis Stevenson Stevenson's original text. The Scottish author wrote his famous doppelganger / mad scientist novella allegedly based on a nightmare. It would become one of the three most well-known horror stories, inspiring hundreds of stage and film versions. |
|
1920 | Dr. Jekyll and Mr. Hyde Film USA, John S. Robertson The most famous silent film version and first feature-length adaptation of Stevenson's original script sets the standard. It combines Stevenson's tale with Oscar Wilde's Picture of Dorian Gray, and adds the women's characters to the story. John Barrymore in the double rôle. |
|
1932 | Dr. Jekyll and Mr. Hyde Film USA, Rouben Mamoulian Still counts as the best adaptation of the subject. Fredric March won an Oscar for his brilliant performance. The transformation scene was arguably film history's first 360 degree pan. |
|
1941 | Dr. Jekyll and Mr. Hyde Film USA, Victor Fleming MGM's effort to outdo the 1932 Paramount version stars Spencer Tracy in the title role, also Ingrid Bergman and Lana Turner. |
|
1960 | The Two Faces of Dr. Jekyll Film GB, Terence Fisher Hammer's merciless version shows an unsympathetic Jekyll versus a charming Hyde, both portrayed by Paul Massie. |
|
1963 | The Nutty Professor Film USA, Jerry Lewis Jerry Lewis plays both roles in this discourse about his former partner, Dean Martin: Jekyll is an ugly, clumsy Lewis-type guy, who transforms into a good-looking womanizing Martin-type Hyde. Remade by Eddie Murphy in 1996. |
|
1975 | Dr. Jekyll and Mr. Hyde TV Film GB, David Winters He sings! Made for television, Kirk Douglas stars in this first Jekyll & Hyde Musical. |
|
1990 | Mary Reilly Novel by Valerie Martin A change of perspective: In this new novel, the story is seen from the pov of Jekyll's house-maid, played by Julia Roberts in the 1996 film adaptation by Stephen Frears, starring John Malkovich as Jekyll / Hyde. |
|
1990 | Jekyll & Hyde TV Film GB/ USA, David Wickes Wickes directed two tv mini-series in a Victorian setting, starring Michael Caine: Jack the Ripper (1988), in which Jekyll & Hyde is performed as a stage-play, and Jekyll & Hyde itself, both hugely successful. |
|
1990 | Jekyll & Hyde Stage-play USA, Alley Theatre, Houston, Texas Finally, horror has made it from Grand-Guignol to Broadway. The musical adaptation by Leslie Bricusse and Frank Wildhorn opens in Houston, starring Robert Evan as Jekyll & Hyde. After a hugely successful run, it opened on Broadway in 1995, and in 1999, the German language version opened in our home-town Bremen, starring Ethan Freeman who previously appeared e.g. as The Phantom of the Opera. |
filmhistoriker.de,
edited by olaf brill.
Last update (this page): 21 Jul 2004.
The texts and images on this site are copyright © by the respective authors,
except where otherwise noted. Mostly, the items were published by kind permission,
but we were not able to find out all the copyright holders or their legal successors.
If you know about them, please let us know, especially if there's anything wrong
with publishing these texts or images. We do not intend to harm anyone's rights
and thought we best serve the purpose of understanding film and general history
displaying this source material and make it available for everyone.
If no author or source is noted, the texts are copyright © 1996-2006 Olaf
Brill.
Impressum Datenschutz