CONTENTS DATA SHEET ABSTRACT REVIEWS REPORTS NOTES ADS LITERATURE |
NOSFERATU, EINE SYMPHONIE DES GRAUENS NOSFERATU, A SYMPHONY OF HORROR |
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Directed by: | F.W. Murnau. |
Written by: | Henrik Galeen (from the novel "Dracula" by Bram Stoker). |
Production company: | Prana Film G.m.b.H., Berlin. |
Executive Producer: | Albin Grau, Enrico Dieckmann. |
Photography: | Fritz Arno Wagner. |
Set design: | Albin Grau. |
Costume design: | Albin Grau. |
Music: | Hans Erdmann. |
Cast: | Max Schreck (Count Orlok / Nosferatu),
Gustav v. Wangenheim (Hutter), Greta Schröder (Ellen, Hutter's wife), Georg H. Schnell (Harding, a ship-owner), Ruth Landshoff (Annie, Harding's sister), Gustav Botz (Dr. Sievers, the town doctor), Alexander Granach (Knock, a real estate agent), John Gottowt (Professor Bulwer, a Paracelsian), Max Nemetz (Captain), Wolfgang Heinz (1st sailor), Albert Venohr (2nd sailor), Guido Herzfeld (landlord), Hardy von François (doctor), Karl Etlinger, Heinrich Witte. |
Studio / Locations: | Jofa-Atelier, Berlin-Johannisthal, Wismar, Lübeck (Salzspeicher), Lauenburg, Rostock, Helgoland, Castle Oravsky (Carpathians), Dolní Kubín on the Vratna pass, Schlesische Hütte, river Waag, Tegeler Forst. |
Première: | 04 Mar 1922, Marmorsaal, Berlin (preview), 15 Mar 1922, Primus-Palast, Berlin. |
Censorship data: | Berlin 16 Dec 1921 (no. 04960), 5 acts, 1967 m, prohibited for children. |
Restoration data: | 1984: restored colour version by the film archive of Munich (Germany),
based on different German, French, and Spanish prints, including a print
of the 1930 re-issue version DIE ZWÖLFTE STUNDE from the
Cinémathèque Française which included scenes shot by
Murnau not preserved in any of the other versions. Also, the German intertitles
have been reconstructed based on a print from the Staatliches Filmarchiv
der DDR. Screened at the Berlin film festival on February 20, 1984. Released
on DVD (English intertitels) by Image Entertainment 1998, 2001 (Region 1)
and Eureka Video 1999 (Region 2). 1995: newly-restored colour version by the "Project Lumière", done by the film archives of Bologna (Italy) and Munich (Germany), using a newly-discovered French nitrate print (found at the Cinémathèque Française by Spaniard Luciano Berriatúa in 1984), the reconstructed German intertitles, and portions from the Munich version. Screened at the Cannes Film Festival, Bologna's Cinema Ritrovato festival, and the London Film Festival. Released on DVD (English intertitels) by bfi Video Publishing 2002 (Region 2). Review 2005/06: newly-restored colour version by Luciano Berriatúa for the Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden, in co-operation with the Bundesarchiv-Filmarchiv, Berlin, and the Cinémathèque Française, based on a tinted nitrate print with French intertitles from 1922 of Cinémathèque Française. Missing shots were completed by a safety print from 1939 of Bundesarchiv-Filmarchiv, drawn from a Czech export print of the 1920s. Other shots were taken from a nitrate print of the 1930s' version DIE ZWÖLFTE STUNDE preserved at Cinémathèque Française. Most of the original intertitles and inserts are preserved in a safety print from 1962 of Bundesarchiv-Filmarchiv, originating from a print of 1922. Missing intertitles and inserts were redesigned on the basis of the original typography by trickWilk, Berlin. 2007 released on DVD by Transit Film in Germany and Eureka Video in England (Region 2). Review |
Remakes: | 1930: Die zwölfte Stunde (Germany, unauthorised newly edited and
extended sound version), 1979: Nosferatu, Phantom der Nacht (Germany, Werner Herzog). |
Murnau's Dracula version is the quintessential horror film: terrifying, disturbing, weird. Truly a classic!
J--s
"Nosferatu"
Marmorsaal des Zoo
I.
Bram Stoker hat einen Roman mit dem Titel "Dracula" geschrieben, in
dem -- wie ich jetzt erfahre -- ein Vampirwesen dahinrast, bis es endlich am
Halse einer schönen Frau den Hahnenschrei vergißt und dadurch von
seiner Ruhelosigkeit befreit wird. Henrik Galeen hat diesem Roman bestimmte
Motive entnommen und sie zu einem Filmspiel zusammengetan, das, wie mir versichert
wird, eine handlungsgetreue Reproduktion des Stokerschen Nosferatu ist, jenes
Wesens also, das als Graf Orlok in einem verwunschenen Schlosse spukt, mit Immobilien
handelt und gelegentlich den Menschen das Blut abzapft. Die Existenz dieses
Nosferatu ist an sich zwar nicht ganz klar, es gehen hier sehr verschiedene
Elemente des alten Volksglaubens ineinander über, verwischen und vermischen
sich, und zuguterletzt verschwindet er wie Beelzebub in einer rauchenden Flamme,
aber die Unumgrenztheit dieses spukhaften Vampirs, seine Festlegung auf
die menschliche Form und dennoch die Entartung dieser Formen, seine Einstellung
auf sehr reale kaufmännische Dinge -- und dennoch seine, wie sage ich?
-- seine juristische Unpersönlichkeit..., diese Tatsachen der Vorstellung
oder der Schilderung geben eine Atmosphäre des Unerforschten, Unglaublichen
und durch das Bild dennoch Bewiesenen, daß dieser Film eine Sonderstellung
unter den gleichzeitigen Erscheinungen einnehmen muß.
"Nosferatu" wurde dann und wann eine Symphonie des Grauens genannt,
-- aber das Grauen scheint doch erst an zweiter und dritter Stelle zu stehen;
an erster Stelle steht ein Begebnis, das man trotz Bram Stoker vielleicht mit
dem Volks-Aberglauben identifizieren kann, mit dem primitivsten Hang
der unverfälschten menschlichen Seele zum Übersinnlichen. Dieses Filmspiel
ist eine Erzählung aus den Kindheitstagen der erdabgewendeten Poesie und
Phantasie, etwas durchaus Unwirkliches und Märchenhaftes. Die Dinge passieren
alle nicht, wie wir es von den Dingen gewohnt sind, sie werden uns einfach hingestellt
als ein Konterfei ursprünglichster literarischer Gehversuche, mögen
diese Versuche auch in einer stilistisch vorgeschrittenen Zeit wieder und immer
wieder repetiert worden sein. Daraus ergibt sich die kritische Einschätzung
des Werkes: es galt jene fast infantile Stimmungswelt in Bilder zu gießen,
die wir nicht innerlich miterleben, sondern nur beschaulich betrachten können,
gleichsam von einer höheren Warte, aus größter Entfernung und
ohne jede Erregung des Herzens. Wenn zum Beispiel der Schoner "Empusa"
unbemannt, von Geisterhand und Geisterhauch getrieben, über die Wellen
rennt, wenn die Ratten aus alten Sargkoffern zutage kriechen und schließlich
der aufgescheuchte Nosferatu an der Reeling entlangtaumelt, sich entlangschiebt,
so packt das alles die Nerven nicht wie ein aufpeitschendes Schauspiel aus unseren
Tagen, es stellt sich kein Entsetzen ein, kein menschliches Bedauern mit den
angeblichen Opfern der Pest-Epidemie, sondern man bleibt neugierig auf die weitere
Entwicklung einer Fabel, die nach unserem klaren Gefühl möglicherweise
vor Aber-Generationen an eine naivere Glaubens-List rühren konnte, die
für uns jedoch . . . Märchen bleibt.
II.
Der Film wurde "nach Motiven" des Romans "Dracula" verfaßt,
heißt es. Wie nun, wenn man das Drehbuch auch nur motivisch auf den ganzen
Nosferatu eingestellt hätte, also den Pestgeist, den Vampir -- oder wie
man ihn nennen will, von aller Gebundenheit an Immobilien und deren Erwerb befreit
haben würde? Etwa so, daß man die Menschheit, die nur in einigen
wenigen Bildern und dann in etlichen Titeln als hinter dem Film stehend gekennzeichnet
wird, mehr in den Vordergrund geschoben hätte, so daß, abermals
frei, dieses Mal aber nach den dankbaren Vorbildern des "Diable Boiteur",
den Blick in das stille Familienglück längst entschwundener Zeiten
geöffnet worden wäre und das Wüten des Vampirs in allen diesen
Familien auch das heutige Mitleid wachgerufen haben würde?! Nosferatu
wäre besser seiner Vermenschlichung entkleidet worden, da die Pestilenz
sich nicht an die körperliche Deformierung ketten kann, sondern mehr und
mehr im Geschehen, in den Ereignissen, also nicht in der Person ihr eigentliches
Grauenerregende besitzt. Dasselbe mit anderen Worten gesagt: im Film, der die
Bilder scharf und klar als Wahrheit gibt, mußte die Wahrheit für
uns Zeitmenschen vorteilhafter unantastbar in der Fabel und ihrer fast historischen
Entwicklung liegen, und erst auf diesen Tatsachen konnte der Volksaberglauben,
der ja stets im Dunkeln tappt, die nahezu mythische Figur des Vampirs zur Kontur
werden lassen. Das auch uns angehende Grauen löst sich erfahrungsgemäß
eher von den Särgen als von den Toten los, und die Ahnung von einem verheerenden
Nosferatu wäre unbestritten besser im dunkeln als im hellen Bild genährt
worden.
III.
Die Bilder nämlich sind sämtlich sehr schön, sehr klar und sehr
scharf. Jedoch: was bei anderen, wirklichkeitsgetreuen Filmen ein Vorteil
ist, muß bei einem Werk aus der Unwirklichkeit gegenteilig bewertet werden.
Hier muß die künstlerische Unklarheit der Schattierungen vorherrschen,
die Weichheit der verschwimmenden Wirklichkeit muß sich aus sattem Sepiabraun
herauslassen, dicht hinter dem Vordergrund schon muß das Rätselraten
der Dämmerung beginnen. Nosferatu kann ja nicht ganz von Scheinwerfern
umstrahlt werden, er hat weder Eigenlicht, noch gibt ihm seine Epoche die Leuchtkraft
von zehntausend Kerzen: er ist vielmehr ein Blutsauger, der nur des Nachts erwacht
und in dieser Finsternis sein eigentliches Lebens-Element erblickt. Er muß,
wie dies stellenweise auch geschah, mehr ein kauernder Parasit sein, als ein
stets illuminierter Sieger. Denn mit der steigenden Helligkeit verliert nun
einmal jedes Schreckgespenst seine Schrecken, wir alle fürchten nur das
Ungewisse, das sich mit wenigen Manifestationen und Gesten aufdrängt und
-- einprägt . . .
Die Handlung ist: Knock, ein Häusermakler, steht mit dem Grafen
Orlok, dem ruhelosen Nosferatu, in geschäftlichen und auch anderen Beziehungen,
und er entsendet seinen Gehilfen Hutter auf Orloks Burg, um ihm einen Kaufvertrag
für etliche "schöne, öde Häuser" vorzulegen. Hutter
ahnt nach zwei peinlichen Erlebnissen den Charakter seines unheimlichen Gastgebers
und flieht. Orlok-Nosferatu hat sich inzwischen in einem Sarge auf den Schoner
"Empusa" verladen lassen und kommt mit Hutter gleichzeitig in dessen
Wohnort an, auf seinem Wege dorthin überall die Pest verbreitend. Auch
in der Stadt bricht die Pest aus, doch befreit Hutters junge Frau Ellen das
Land von der Plage, indem sie den auch sie heimsuchenden Vampir bis über
Sonnenaufgang an ihrem Halse festhält. Orlok vermag bei Tageslicht nicht
mehr in seinen Sarg zurückzukehren und verschwindet unter Hinterlassung
eines kleinen rauchenden Flämmchens.
F.W. Murnau hat eine sehr schöne Regie-Arbeit geleistet, bizarre Szenen
aus einem Spukwalde gestellt und in der Ausmalung der Vorgänge auf dem
Schoner "Empusa" packende Momente ersonnen. Auch das Milieu der Kleinstadtstraßen
ist geschickt festgehalten. In der Darstellung zeichnen sich viele weniger bekannte
Namen aus: Max Schreck als Orlok, Alexander Granach als Häusermakler, Gustav
von Wangenheim als Hutter, Greta Schroeder als Ellen, Max Nemetz als Kapitän,
Wolfgang Heinz als Matrose und Ruth Landshoff als Annie Harding geben sorgfältige
Leistungen und schaffen einen Film von starker Publikumswirksamkeit. Für
die Kostüme und bauten übernahm Albin Grau die Verantwortung, die
schöne Photographie rührt von F.A. Wagner her.
Hersteller: Prana-Film-G.m.b.H., Berlin.
IV.
Die Vorführung fand im Rahmen eines Gesellschaftsabends statt, der von
einem Vorspiel eingeleitet wurde und in seinem Programm in einer "Serenade",
einem Tanzspiel mit Elisabeth Grube, ausklang. Die überreich erschienenen
Gäste wurden vor Eröffnung des Balles, der sich bis in die frühen
Morgenstunden hinzog, sogar in einer Festpolonaise gefilmt; die Vorführung
des Filmes wurde von der "Deka Compagnie" (Nießler & Co.),
Berlin, mustergültig besorgt.
Und für die Stimmung sorgten die Teilnehmer nicht minder mustergültig,
wobei sie sich von der Symphonie des Grauens zu einer köstlichen Symphonie
der Heiterkeit aufschwangen.
Aros [Alfred Rosenthal]
Symphonie des Grauens
Es war einmal einer, der wollte nicht das Gruseln lernen. Er wollte eigentlich
mit seiner Braut tanzen gehen. Da ging er zum Fest des Nosferatu. Er war überrascht,
als nach einem kleinen Prolog sich der Saal verfinsterte, als die Projektionsapparate
zu surren anfingen und ein Titel verkündete, daß eine Symphonie des
Grauens über die Leinwand rollen sollte.
+
Man erzählt sich aus alter Zeit die Geschichte von den Vampyren, die unsterblich
sind und ihre übernatürlichen Kräfte dadurch lebendig erhalten,
daß sie ihren Mitmenschen nachts im Schlaf das Blut aussaugen.
Der Nosferatu ist einer dieser angenehmen Mitbürger. Er haust draußen
in den Karpathen auf einem wundervollen Schloß, daß sich durch seine
malerische Umgebung ausgezeichnet zur Verfilmung eignet.
Dazu komm, daß Okkultismus jetzt Trumpf ist, und daß darum in den
deutschen Kinos für die Geschichte dieses grauslichen Wesens sicherlich
das nötige Interesse vorhanden ist, das nun einmal unbedingte Voraussetzung
für den Idealzustand ist, der dadurch zum Ausdruck kommt, daß an
den Kassen das Schild "Ausverkauft!" prangt.
+
Die unsympatische Hauptrolle übernahm Max Schreck aus München. Er
stand vor einer schwierigen Aufgabe. Vom Erhabenen zum Lächerlichen war
bei diesem blutsaugenden Gespenst nur ein kleiner Schritt.
Im Marmorsaal erlebte man zwar das Mysterium des Nosferatu etwa so, wie man
Nachts zwischen zwölf und eins E.T.A. Hoffmann oder Edgar Alan Poe liest.
Wie aber wird es bei der berühmten Waschfrau von Treuenbrietzen sein, die
durch die jahrelange Lektüre des Büchlein Abendrot oder durch die
zweihundertsechsundvierzig Hefte Schinderhannes für die Symphonie des Grauens
auch nicht genügend vorgebildet ist? Hier erhebt sich die Frage: "Kunst
oder Nichtkunst?" Weil sich bei diesem hochkünstlerischen Werk die
Grenzen zwischen Kitsch und Kunst eng berührt.
+
Ich sah selten ein Werk, bei dem die Stimmung des Manuskripts sich so vollendet
in der Landschaft widerspiegelt, wo das Zusammenspiel der Darsteller so gut
abgetönt ist, und wo von Gestalten, die auf der Scheide zwischen Komik
und Tragik fünf Akte lang wandelten, die verhängnisvolle Klippe so
sicher überwunden wurde.
Sie alle verdienen restlos gelobt zu werden. Greta Schröder und Ruth Landshoff,
der melancholische junge von Wangenheim, John Gottowt, Alexander Granach, der
in vielem an Werner Kraus erinnert, und G.H. Schnell.
+
Ueber dem Ganzen waltet sichtbar unsichtbar F.W. Murnau, ein Mann, der mit zu
denen gehört, die bei der Zukunftsentwicklung des reinen Filmstils ein
gewichtiges Wort mitzusprechen haben.
Die Schiffsszenen, bei denen Atelier und Wirklichkeit vollendet vermischt wurden,
sind kleine Kabinettstücke. Einmal wegen der Szenenbilder an sich, dann
aber auch wegen der wundervollen Durcharbeitung der Szenen im einzelnen.
Dabei sei erwähnt, daß unter den Matrosen durch sein schauspielerisches
Können besonders einer auffällt. Der junge Künstler, der am Staatstheater
wirkt, sollte bald einmal vor größere Aufgaben gestellt werden.
+
In diesem Film waren dem Architekten eine Reihe schwieriger Aufgaben gestellt.
In herrlichen Naturszenerien schneiden Bauten ein, die einmal stilecht, zum
andern aber phantastisch sein sollen. Es wurde Stimmung verlangt, die aber durch
reale Mittel geschaffen werden mußte, weil die Personen selbst schon auf
dem äußersten Punkt der Phantastik wandelten. Das alles hat Albin
Grau so gut gelöst, wie man es vom künstlerisch empfindenden Filmarchitekten
verlangen kann.
+
Vorher und nachher gab es Prologe und Festspiele. Gut gemeinte Umrahmungen,
die aber unter mangelnder Vorbereitung litten. Herr von Ledebur erzählte
in seinem Prolog einige Dinge, die teils gedanklich, teils aber durch die Art
des Vortrags unverständlich waren. Dann gab es ein Vorspiel auf dem Theater,
bei dem Herr Schreck behauptete, daß er alles könne. Das soll nicht
bestritten werden. Aber man braucht das nicht in dem Ton zu sagen, der an jene
Inserate erinnert, bei denen die Pointe lautet: "Man kann zwei Liebhabern
nicht zu gleicher Zeit dienen!"
+
Die Musik zu der Tanzerei und zum Film stammt von Doktor Erdmann, der uns manchmal
durch wundervolle Geigenklänge in den Himmel der echten Kunst führte.
Seine Filmmusik war eine feinsinnige Nachempfindung des Filmspiels. Das Orchester
sang schmelzend und süß, wenn verklärte Liebe im Filmspiel sich
zeigte, seine Pauken drönten dumpf, wenn seelisches Gewitter heraufzog,
und schwoll zum Fortissimo, wenn der dunkle Segler des menschenfressenden fliegenden
Holländers durch die wildaufschäumende See zog.
Wenn nicht alles so zur Geltung kam, wie es in der Partitur gedacht war, so
mag das daranliegen, daß die Musiker des Herrn Reimbach ja sonst nicht
gerade auf Beethoven oder Richard Strauß eingestellt sind.
Aber die Musici hielten sich wacker. Sie erhielten eine starke Stütze an
dem Dominatorharmonium, das eine merkwürdige Kombination zwischen künstlerisch
vollendetem Orchestertrion und Großer Orgel darstellt, und das Herr Schmidt
mit Virtuosität spielte.
+
N.B. Das Instrument ist von der Firma Schiedmeyer für den Abend unberechnet
zur Verfügung gestellt, eine Tatsache, die nicht nur im Programm bekannt
gegeben wurde, sondern um deren Bekanntgabe mich Urahne, Großmutter, Mutter
und Kind gebeten haben.
+
Die Symphonie des Grauens artete in einen Ball aus. Man sah die Prominenten
des Films: Lubitsch, Kräly, Johannes Riemann, Heinz Schall, die großen
Verleiher, Filmstars und solche, die glauben, es zu sein.
Man richtete einen Pendelverkehr zu der Veranstaltung der Schule Reimann ein,
wo diejenigen, die am grausigen Nosferatu noch nicht genug hatten, sich von
den praktischen Auswirkungen der modernsten Kunstrichtung noch eine Gänsehaut
anschaffen konnten, man las um zwei Uhr den "Lokal-Anzeiger" mit dem
Festbericht und vergaß bei [word missing] und Jazz und Shimmy
das Gruseln, Okkultismus und Vampyrismus und sogar die Polizeistunde.
R. W.
Nosferatu. -- Die Serenade.
Marmorsaal des Zoo.
Es war mehr, als nötig, und es wurde weniger, als die Veranstalterin, die
Prana-Film-G. m. b. H., gutmeinend beabsichtigt hatte. Da sie ihr Filmspiel
"Nosferatu" im weitgezogenen Rahmen eines Festes (mit Balltoiletten,
Fracks und Smokings, auch mit einigen Biedermeierkostümen) uraufführen
lassen wollte, hatte sie geglaubt, auf ein Vor- und Zwischenspiel nicht verzichten
zu dürfen.
Kurt Alexander hatte diese umfangreiche Dichtung besorgt, die sich in der äußeren
Form an das Goethesche Vorspiel auf dem Theater anlehnt. Auf einer glücklich
dem Marmorsaal des Zoo eingebauten Bühne las einer, der als "der Direktor"
bezeichnet war, unverständlich und ungeschickt Vers um Vers ab, während
"der Schauspieler" und "die Sängerin" wenigstens bemüht
gewesen waren, ihre Rollen dem Gedächtnis einzuprägen. Es war umständlich,
ermüdend, überflüssig, erregte Unwillen: Marschners "Vampyr"-Ouvertüre,
die ein trefflich funktionierendes Orchester hinter Vorhängen zu Gehör
brachte, wäre bessere, stimmungsechtere Vorbereitung gewesen. Und es war
klug, daß man sich schnell entschloß, das Zwischenspiel und einen
Prolog zur "Serenade" preiszugeben.
"Nosferatu". Henrik Galeen hat dieses Filmspiel nach Motiven von Bram
Stokers Roman "Dracula" verfaßt. Er schrieb eine Sinfonie des
Grauens, mischte phantastisch-Uebersinnliches mit real-Menschlichem und schug
die Grundlage, auf der F.W. Murnaus Regie aufbaute. Eine einfühlende, erfinderische
Regie, die auf künstlerischer Linie den Absichten des Verfassers folgte,
sie plastisch machte, die drohenden Klippen der Lächerlichkeit umschiffte
und den Atem der Zuschauer stocken ließ. Murnau zog die Landschaft und
das sturmgepeitschte Meer heran, die er in wundervoll gesehenen Ausschnitten
auf das Filmband brachte, er wählte mit sicherem Griff die passenden Oertlichkeiten
(alte Städtebilder von düster-malerischem oder traulich-behaglichem
Reiz), hob Gespenstisches in den Bereich der Gegenständlichkeit und durfte
sich -- für die Bauten -- auf die kluge Hilfe des Malers Albin Grau stützen.
Die Wucht und Kraft des Films liegt nicht so sehr in seiner dramatischen Handlung,
wie in dem Spukhaften, die Nerven Aufpeitschenden. Denn die Handlung ist von
mehr epischem Ablauf -- ohne den inneren Zwang eines Opfers, durch das die junge
Frau Hutter die Welt von Nosferatu befreit. Nosferatu ist ein Werwolf, der aus
Transbaikalien als Pestträger nach Wisborg kommt. Das große Sterben
hebt an, Sarg um Sarg wird in langer Prozession durch die verödenden Straßen
hinausgetragen. Und nur, wenn ein reines Weib sich freiwillig dem Vampyr ausliefert
und ihn festhält bis zum ersten Hahnenschrei, kann der Fluch gelöst
werden. Hier liegt der Fehler des Films, der Psychologisches nur lose streift,
aber nicht umgreift und Seelenmotivisches allzu lässig nimmt. Wäre
Galeen nicht bei flüchtigen Andeutungen stehengeblieben -- dies hätte
ein in jedem Betracht ungewöhnlicher Film werden können.
Den Nosferatu gab Max Schreck aus München. Er suchte die Dämonie durch
starre Unbewegtheit zum Ausdruck zu bringen, die oft wirkte, ohne immer am Platz
zu sein. Gustav v. Wangenheim hatte beherzten Jugendmut, stürmende, drängende
Frische, lachendes Leben für den Hutter, dessen Weib Frl. Greta Schroeder
mit tiefer Verinnerlichung spielte. In kleineren Rollen waren die Herren Granach,
Gottowt und Heinz sehr bemerkenswert.
Die begleitende, durchaus modern gehaltene, sinnfällig und effektvoll illustrierende
Musik hat Hans Erdmann komponiert, der danach noch mit seinem Tanzspiel "Die
Serenade" zu Gehör kam. In diesem Werkchen, das orchestral ebenfalls
gekonnt ist, erscheint er bald mozartisch, bald rosenkavalierisch und weiß
an der Hand seiner Vorgänger die tändelnde Grazie des Rokoko einzufangen.
Es ist eine liebenswürdig-leichte Komposition, die aber immerhin mehr durch
Mittler empfangen ist, während die zum "Nosferatu" eine eigene
Physiognomie hat.
Fraz Grube von der Staatsoper war die Tänzerin, die durch die Serenade
und den Empfang eines Kavaliers von der Erfüllung ihrer Pflicht gegen das
Theater zurückgehalten wird. Sie machte das mimisch nicht schlecht, tänzerisch
ohne Anmut, erdenschwer, eindruckslos. Und Frl. Messina, die als maurischer
Leibdiener sprühenden, augenblitzenden Humor hatte, stellte sie in den
Schatten.
ej.
"Nosferatu".
Das ist Film: gespensterische Kutschen huschen durch Waldesschluchten, Schreckgespenster
jagen auf Menschen, Pest bricht aus, Schiffe fahren unbemannt in Häfen,
Särge mit Erde und Mäusen flitzen aus Keller auf Wagen, in Schiffe,
in zerfallene Hauslöcher. Das ist Film: ein Wesen Gespenst-Mensch kriecht,
klettert über die Leinwand -- und zwischendurch als Konzession auszahlende
Durchschnittspublikum: eine Liebesgeschichte mit tragischem Ende. "Nosferatu"
heißt dieser Film, der in den Fußstapfen Dr. Caligaris fünf
Akte lang Gruseln erregt. Weil ihn kein Theaterbesitzer ins Haus einlassen will,
hat man ihn zunächst in einer Sonderveranstaltung im Marmorsaal im Zoologischen
Garten nach einem unpassenden Vorspiel und vor einem graziösen Tanzspiel
und Ball vorgeführt. Henrik Galeen, der nachempfindende Autor, ist ein
Knappe aus der Schule Wegeners. Sein Vampyr "Nosferatu" könnte
aus Wegeners Werkstatt entsprungen sein: sprechenrampenfremd, buchfeindlich;
ein eigener Stil-Film. Murnau, sein Bildlenker, stellt die Bildchen, sorglich
durchgearbeitet, in sich abgeschlossen. Das Schloß des Entsetzens, das
Haus des Nosferatu sind packende Leistungen. Ein Motiv-Museum. Den Nosferatu
gibt er einem Leinwandneuling: Max Schreck. Der bringt ihn als Kleinkindergreuel,
düster, leichenblaß, mit Teufelskrallen. Sein Wesen ist Alexander
Granach, absichtlich betont grotesk. Erfrischend in all dem traurigen Dunkel:
Gustav v. Wangenheim, der Held, der Lichtblick, der Besieger des Vampyrs. Und
Greta Schröder, sein Eheweib, photoschön in großen Szenen. Hans
Erdmann, der die "Symphonie des Grauens" musikalisch ausstattete,
fand eine Lösung des Problems der Filmkomposition.
H.W. [Hans Wollenberg]
Nosferatu.
Man versichert, daß einige Damen, die am Sonnabend der Nosferatu-Première
beiwohnten, eine schlechte Nacht gehabt haben. Und das scheint nicht unglaubwürdig.
Denn das Grauen in Kunstform zu gießen, ist in dieser Vollendung bisher
nur den Hoffmann, Pol und Evers auf dem Gebiete der Literatur gelungen. Und
der Mann des Grimmschen Märchens, der auszog, um das Gruseln zu lernen,
wäre bei diesem Film auf seine Kosten gekommen. Der Nosferatu-Film ist
eine -- Sensation; denn er verläßt radikal die ausgetretenen Geleise
der hundertfach neu aufpolierten Liebesgeschichten und des mechanistischen Abenteuers.
Er schöpft aus voraussetzungsloser Phantastik, deren Born der schauerliche
Aberglaube vom Menschenblut trinkenden Vampir ist. Die Geschichte vom gespenstischen
Vampir Nosferatu, der Tod, Pest und Entsetzen verbreitet, ist mit bannender
Eindringlichkeit hier zum Lichtspiel gestaltet. Stimmung schaffende Elemente
sind herangeholt, wo sie immer die Linse fand: Düstere Hochgebirgsklüfte,
wildbrausende See, sturmgepeitschtes Gewölk, unheimliches Gemäuer.
Ein Musterbeispiel dafür, wie der Film die Stimmungen der Landschaft für
seine Wirkenszwecke auszunutzen hat. Trefflich gezeichnet sind die Figuren des
Spiels: Gustav von Wangenheim und Greta Schroeder, in deren Jugend und Liebe
das Grauen hineingreift; Gronachs gespenstischer Häusermakler; und Max
Schrecks Nosferatu, in brillanter Maske und Gestik, wenngleich er in einigen
wenigen Momenten noch transzendentaler, noch körperloser wirken könnte.
Henrik Galeens Manuskript ist von wirkungsvollstem, ausgewogenstem Aufbau. F.W.
Murnau hat mit der Inszenierung eine Meisterleistung vollbracht. F.A. Wagners
Photographie holt feinste Valeurs heraus. Die Bauten von Albin Grau dürfen
als wesentliches Stimmungsaggregat nicht unerwähnt bleiben. Um eine Schlußfolgerung
zu ziehen: Dieser Prana-Film, den am Sonnabend nur ein kleinerer Kreis sah,
muß hinaus in die Kinos; man hat nicht das Recht, dem Publikum ein derart
interessantes (um nicht zu sagen sensationelles) Werk, eine solche Gesamtleistung
vorzuenthalten. Diese Uraufführung fand im Rahmen eines Festes statt, das
von der Prana veranstaltet wurde.
-- o --
Nosferatu.
Die Aufgabe, die sich die Prana-Film-Gesellschaft mit diesem von Henrik Galeen
nach Motiven des Romans "Dracule" nach Bram Stoker entworfenen Film
gestellt hat, war keine leichte. Aber sie hatte es mit einem erstaunlich großen
Gelingen fertig gebracht, die Gestalt eines alten Volksaberglaubens, einen bösen
Vampyr, als geisterhafte Erscheinung durch eine Handlung hindurchgehen zu lassen.
Ein Häusermakler, Knock mit Namen, schickt zu dem Grafen Orlok, dem unheimlichen
Nosferatu, seinen Vertreter Hutter, damit er mit ihm einen Kauf über einige
Häuser abschließt. Die Erlebnisse, die der Gehilfe auf dem verwunschenen
Schlosse des Grafen hat, veranlassen ihn schließlich zu einer verzweifelten
Flucht. Aber Orlok-Nosferatu ist in einem Sarge auf ein Schiff verladen worden
und gelangt gleichzeitig mit Hutter in dessen Wohnort. Der Unheimliche verbreitet
überall die Pest, bis eine junge Frau das Land von ihm loskauft, indem
sie ihn den Sonnenaufgang bei ihr vergessen läßt. Damit muß
sein Dasein enden, und er verliert sich in nichts.
Man kann sagen, daß die Gestalt des Vampyrs eine größere Wirkung
hätte, wenn die Menschen der Handlung mehr in den Vordergrund und er mehr
als Schemen unter sie käme. Dann würde nämlich ihr Schicksal
uns näher gerückt sein, während so der Film, der in einer vergangenen,
aber glaubensfroheren Zeit gruselig empfunden würde, heute sich vor uns
wie ein Märchen ausnimmt. Auch würde es der Bösartigkeit dieses
Nosferatu noch mehr entsprochen haben, wenn die Bilder das Düstere seines
Daseins rein photographisch stärker herausgearbeitet hätten. Das alles
sind Erwägungen, die man nur anstellen kann, weil der Film als Ganzes ein
große Leistung bedeutet und dazu anregt, Möglichkeiten feinster Vervollkommnung
nachzuspüren. Die Auswahl der Bilder ist mit einem hervorragend feinen
malerischen Sinne getroffen worden und läßt auch technisch nichts
zu wünschen übrig. Der Spielleitung F.W. Murnaus ist hier wieder ein
großer Wurf gelungen. In der Hauptrolle ist Max Schreck in seiner Maske
als blutsaugender böser Geist eine glaubhafte Phantasiegestalt. Neben ihm
stehen Alexander Granach als Häusermakler, Gustav von Wangenheim als Hutter,
Greta Schröder als Frau Ellen, und auch Max Nemetz, Wolfgang Heinz und
Ruth Landshoff bieten Leistungen, die sich geschickt in den nichts weniger als
gewöhnlichen Rahmen einfügen.
Die Vorführung im Marmorsaale war in das Gewand eines Gesellschaftsabends
gekleidet und wurde eingeleitet durch ein mäßiges Vorspiel von Kurt
Alexander, während später Elisabeth Grube in einem Tanzspiele auftrat,
dessen musikalische Begleitung durch das Meisterharmonium "Dominator"
der Schiedmayer-Pianoforte-Fabrik eine besondere Note erhielt.
--k.
Nosferatu.
Der lang erwartete Großfilm der Prana, der kürzlich auf dem Fest
des Nosferatu aus der Taufe gehoben wurde, ist seit Mittwoch auch der Allgemeinheit
zugänglich. Die Direktion des Primus-Palastes hat das Wagnis unternommen
und dem Grauen Einlaß in ihre Mauern gewährt. E.T.A. Hoffmann redivivus!
In einer kleinen Hafenstadt der Biedermeierzeit lebt ein junges Ehepaar im Glücke
seiner jungen Ehe. Doch schon wirft das Unglück seine Schatten voraus.
Der junge Hutter reist im Auftrag seines Geschäftsherrn, eines Grundstücksmaklers,
nach dem einsam gelegenen, von den Umwohnern ängstlich gemiedenen Karpathenschloß
eines Grafen Orlok. Kaum innerhalb des Bannkreises jener schaurigen Feste angelangt,
hat Hutter die erste gespenstische Geschichte. Eine geheimnisvolle Kutsche erwartet
ihn und bringt ihn in grausiger Fahrt zu der Burg. Das Tor springt auf, und
Graf Orlok, der Nosferatu, tritt ihm entgegen. Jetzt beginnt ein wahrer Hexensabbat
von Fürchterlichkeiten. Gleichzeitig fängt der Nosferatu in Wisborg
zu wirken an. Hutter, der nach dem Verschwinden des Nosferatu gleichfalls seine
Heimatreise angetreten hat, kommt dort an, als die schwarze Pest -- der Nosferatu
-- ihren Einzug in die Stadt gehalten hat. Ein großes Sterben hebt an,
das erst mit dem Opfertode Ellens, der jungen Frau Hutters, die freiwillig dem
Vampir ihr Blut gibt, sein Ende findet. Der Nosferatu ist nicht mehr. Der Film,
dessen Fabel hier nur kurz skizziert werden kann, macht auf weniger robuste
Nerven einen starken Eindruck, der durch die geschickten Gegensätze von
Biedermeierlieblichkeit und spukhaftem Wesen noch verstärkt wird. Die Technik
des Regisseurs hat im Verein mit einer auserlesenen Künstlerschaft ein
Filmwerk geschaffen, das sicherlich den Anfang eines neuen Filmtyps bilden wird.
Von den Mitarbeitern seien genannt: Max Schreck als Nosferatu, eine einzigartige
Leistung, ferner Alexander Granach, der dem tobsüchtigen Häusermakler
Knock Blut und Leben verlieh. Gustav v. Wangenheim, als Hutter, Greta Schroeder
als Frau Ellen schufen gleichfalls überzeugende Gestalten. Auch die übrigen
Rollen waren gut untergebracht. F.W. Murnau, der Regisseur, hat Hervorragendes
geleistet, desgleichen Albin Grau, dem die Sorge für den äußeren
Rahmen des Stückes zufiel. Die Photographie F.A. Wagners war sauber und
geschickt. Hans Er[d]mann hat das Stück musikalisch gut illustriert.
Der Applaus war lebhaft und verdient, was übrigens auch von dem sehr netten
Beiprogramm gilt.
--l.
Der Gruselfilm.
Heinrich Galeen hat unter dem Titel "Nosferatu" für die Prana-Film
G.m.b.H. "eine Symphonie des Grauens" geschrieben, wie sie im Film
bisher wohl noch nicht gezeigt wurde.
Es ist merkwürdig, welche ungeheuere Anziehungskraft das Gruselige besitzt,
obwohl doch ein jeder möglichst wenig davon wissen will. So nahegelegen
die Trickmöglichkeiten des Films auch die Ausnützung dieses beliebten
Elements erscheinen lassen, so sind doch fast alle bisherigen Versuche mehr
oder minder mißglückt. Gerade die Schärfe der photographischen
Platte verlangt nämlich für derartige Filme eine Präzisionsarbeit,
wie sie im allgemeinen eben nicht geleistet werden kann. An diesem Film, in
dem bereits drei Monate Arbeit steckt, wird man auf künstlerisch und technisch
neuen Wegen versuchen, das Filmbild auch für Stoffe E.Th. Hoffmanns oder
Poes nutzbar zu machen. Die Namen dieser Schriftsteller bedeuten nicht nur einen
vagen Vergleich; denn es liegt der Prana-Film absolut fern, die billige Wirkung
von Schauerromanen zu erzielen, vielmehr soll die Wirkung nicht durch eine unsinnige
Handlung zerstört, sondern durch eine sinnvolle gehoben werden. Der "Nosferatu"
ist eine sagenhafte Figur, ein Sinnbild des Todes. Sein Eingreifen oder Erscheinen
bedeutet Schicksal. Hier ist ein junges Mädchen, das durch ihn Ueberwinderin
des Todes werden soll.
Im scharfen Licht der Jupiterlampen ist freilich das Spukhafte seines geheimsten
Reizes entkleidet. Und so grauenvoll Max Schreck mit seinen rotummalten Augen,
seinem künstlich zahnlos gemachten Mund, seinen Krallen an den Händen
auch aussieht, so bleibt er doch mehr oder minder Schauspieler, wenn auch guter
Schauspieler. Andererseits jedoch war die peinliche Realistik eines Rattenrudels,
das pfeifend aus dunklen Löchern kam, kaum zu überbieten.
Der Film, von dem einzelne Teile in der Hohen Tatra aufgenommen sind, zeigt,
nach den Photos zu urteilen, eine Reihe wundervoller Szenen, keineswegs durchweg
und nur grauenvoll, sondern auch mit vielen freundlichen, malerischen und lieblichen
Bildern durchsetzt, allzu Realistisches gedämpft durch Rückverlegung
der Handlung in die Biedermeierzeit.
Der Nosferatu, der bereits nach Amerika verkauft ist, verschlingt allerdings
beträchtliche Summen, die aber durch die Sorgfalt, die T.W. Murnaus Regie
aufwendet, sich sicher lohnen werden. Die Bauten und Kostüme stammen von
Grau, die Photographie hat F.A. Wagner übernommen und man steht bereits
im Begriff, ein eigene Musik durch Dr. Hans Erdmann schreiben zu lassen. Von
den bekannteren Hauptdarstellern, die nicht nach klangvollen Namen, sondern
nach Eignung, nach Typen gewählt wurden, seien noch Greta Schröder,
Gustav von Wangenheim und John Gottowt genannt.
Anonymous
Nachtaufnahmen zu "Nosferatu"
Am Donnerstag wurden im Jofa-Atelier die letzten Scenen des Pranafilms "Nosferatu"
gedreht. U.a. war im Freien ein Teil des Hafens Galatz aufgebaut. In malerischer
Anordnung lagen alte Weltmeer-Segler vor Anker, und am Kai lagen Ballen und
Fässer, Hafenarbeiter taten ihre Arbeit -- auf allen schien der Druck von
etwas Unheimlichem, Grauenhaftem zu lasten --, und in gespensterhaftes Licht
getaucht, in pechrabenschwarzer Nacht, machte die Scene selbst auf den Fachmann
hervorragenden Eindruck, der gewöhnt ist, hinter die Kulissen des Films
zu schauen. -- Unweit der Segler stand ein Flugzeug auf dem Erdboden; der Motor
gab dem Propeller Schwung, und -- im Hafen blähen die Segel sich mächtig,
und die Fähnlein und Wimpeln flattern lustig im Wind. -- Wie immer, wird
auch hier jede Scene, bevor sie dem Regisseur Murnau kurbelreif übergeben
wird, vom künstlerischen Direktor der Firma, Herrn Albin Grau, nach psychologischen
und malerischen Grundsätzen bis ins einzelne hinein peinlich durchgearbeitet,
vor dem Aufbau in künstlerischer Zeichnung zu Papier gebracht. Jede Geste,
jedes Kostüm (um 1840 herum), jeder Schritt und jede Bewegung muß
nach den Gesetzen psychologischer Wirkung auf den Zuschauer abgezirkelt sein.
Grau und Murnau leisten dabei eine beachtenswerte Filigranarbeit, ohne das Großzügige
ihres Werkes außer acht zu lassen.
Das Fest des Nosferatu
Der Ball, den die Prana-Film-Gesellschaft nach echt amerikanischem Muster anläßlich
der Festspiele zu Ehren des Prana-Großfilms "Nosferatu" arrangiert
hat, findet am Sonnabend, den 4. März, in den gesamten Räumen des
Zoologischen Gartens statt. Die Festspiele beginnen pünktlich 8 Uhr. Erscheinen
in Biedermeier erwünscht, aber nicht erforderlich.
"Nosferatu", der Prana-Großfilm, füllt als Uraufführungsfilm die zahlreichen und bequemen Sitzplätze des Primus-Palastes, der dem außerordentlichen Interesse des Publikums für diese stark in Anspruch genommenen Karten vorverkaufsgerecht werden mußte.
Berliner Filmspielplan in der Woche vom 16. bis 22. März. Der Kinematograph (Düsseldorf) vol. 16, no. 788, 26 Mar 1922.filmhistoriker.de,
edited by olaf brill.
Last update (this page): 14 Jan 2008.
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