Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen Fritz Langs METROPOLIS arte edition München: belleville 2010 400 Seiten, deutsch, zahlreiche Abbildungen ISBN 9783923646210 |
Zur feierlichen Uraufführung der neu rekonstruierten Originalfassung von Fritz Langs METROPOLIS am 12. Februar in Berlin und Frankfurt und der zugleich stattfindenden Ausstellung "The Complete METROPOLIS" ist nun eines der schönsten Bücher über diesen Film erschienen: ein reich bebilderter Prachtband auf dem neuesten Stand der Forschung, eine Feier einer der berühmtesten deutschen Filme, der nun endlich in einer Fassung vorliegt, die fast vollständig der Premierenfassung aus dem Jahr 1927 entspricht.
Es war die filmhistorische Sensation des Jahres 2008, als in einem kleinen Filmmuseum in Buenos Aires ein paar Filmrollen entdeckt wurden, die die verschollenen Szenen von METROPOLIS enthielten: jenen heiligen Gral der Filmforschung, nach dem Wissenschaftler jahrzehntelang gesucht hatten. Im Juni 2008 fuhr Paula Félix-Didier, die Leiterin des Museo del Cine, mit diesen Rollen nach Berlin und führte sie dort am 24.6.2008 einer kleinen Expertenkommission vor, bestehend unter anderem aus dem Leiter der Deutschen Kinemathek Rainer Rother und den Filmrestauratoren Martin Koerber von der Kinemathek und Anke Wilkening von der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, der Rechteinhaberin des Films METROPOLIS. Das Urteil der Experten nach dieser Sichtung: Der Großteil des verschollenen METROPOLIS-Materials war gefunden. Nicht in herausragender Qualität, aber endlich waren die Szenen zu sehen, über die wir so viel wussten, die wir aber noch nie im bewegten Bild gesehen hatten.
Denn über die verlorenen Szenen aus METROPOLIS wussten Filmhistoriker außerordentlich viel: Überlieferte Dokumente, Standbilder, Werkfotos, Skizzen und vor allem die vollständig überlieferte Partitur des Komponisten Gottfried Huppertz hatten uns präzise Informationen darüber gegeben, an welchen Stellen Langs berühmter Film noch lückenhaft war und sogar, wie lang diese Fehlstellen genau waren (denn sie mussten genau zur erhalten gebliebenen Huppertz-Musik passen). Der Filmhistoriker Enno Patalas hatte diese Fehlstellen in seinem Buch Metropolis in / aus Trümmern und auf der Metropolis DVD-Studienfassung bereits präzise dokumentiert, und letztere wurde dann auch von den Experten in Berlin herangezogen, um zu beurteilen, welches nun genau die neuen Szenen waren, die in der in Argentinien entdeckten Kopie enthalten waren. "In den ersten zwanzig Minuten der Vorführung waren alle extrem angespannt", beschreibt Félix-Didier. "Absolutes Schweigen im Sichtungsraum der Deutschen Kinemathek, denn die neuen Szenen kommen erst später. Die erste ist nur eine kurze Einstellung, wenige Sekunden, und Martin Koerber sagte 'aha'; ab da fiel die erste Anspannung von mir ab." (S. 43) Resultat: Bisher, das war bekannt, fehlten etwa 30 Minuten des Films. Etwa 25 davon waren in der argentinischen Kopie vorhanden.
Martin Koerber war derjenige, der zur Fritz-Lang-Retrospektive auf der Berlinale 2001 die bisher letzte große METROPOLIS-Rekonstruktion vorgelegt hatte, und nun ist es den Restauratoren gelungen, die neu entdeckten Szenen aus Buenos Aires in Koerbers Fassung zu integrieren. Am 12. Februar wird diese neue Rekonstruktion zeitgleich bei Galavorstellungen auf der 60. Berlinale im Friedrichstadtpalast und in der Alten Oper in Frankfurt am Main aufgeführt. Eine solche Stummfilm-Aufführung hat es wohl noch nie gegeben: Der Fernsehsender Arte überträgt die Berliner Aufführung live in HD-Qualität im Fernsehen. Gleichzeitig wird die Live-Übertragung auf einer Riesenleinwand am Brandenburger Tor gezeigt. Zudem läuft noch bis zum 25. April die Ausstellung zum Film im Museum für Film und Fernsehen in Berlin, und wer sich jenseits des ganzen Hypes einmal in aller Ruhe hinsetzen will und sich die Geschichte des berühmten Films und des neu entdeckten Materials ansehen will, der kann jetzt in dem neuen Buch blättern, das in Zusammenarbeit mit der Kinemathek und Arte entstanden ist.
Das Buch enthält Essays von Bernard Eisenschitz (zur Entstehungsgeschichte des Films), Rainer Rother (zur Entdeckung des neuen Materials), Martin Koerber (zur Überlieferungsgeschichte), Anke Wilkening (zur neuen Restaurierung) und Frank Strobel (zur Huppertz-Musik). Schön ein Interview der Journalistin Karen Naundorf mit Museumsleiterin Paula Félix-Didier zur Entdeckung des Materials in ihrem Museum unter dem Titel: "Wir haben Metropolis!" Weitere Textbeiträge stammen von Kristina Jaspers, Franziska Latell, Peter Mänz und Werner Sudendorf, außerdem enthält das Buch Auszüge aus zahlreichen Textdokumenten, etwa Thea von Harbous Drehbuch oder den Memoiren des Architekten Erich Kettelhut. Am Ende folgt neben filmographischen Daten sogar noch ein Inventarverzeichnis der Archivbestände der Stiftung Deutsche Kinemathek und der Cinémathèque Française Paris zum Film METROPOLIS.
All das ist reichlich illustriert mit Szenen- und Werkfotos, sowie Abbildungen von Dokumenten, Skizzen und dreidimensionalen Gegenständen aus den Beständen der Kinemathek und anderer Archive. In den Nachlässen von Erich Kettelhut, Fritz Rasp und Günther Rittau der Deutschen Kinemathek und der Sammlung Karl Freund des Filmmuseums München wurden Fotos aufgespürt, die nirgendwo sonst vorhanden waren. So enthält dieses Buch viele Bilder, die selbst ausgewiesene METROPOLIS-Experten noch niemals gesehen haben. Insofern ähnelt dieses Buch der neuen Fassung des Films, die nächste Woche der Öffentlichkeit präsentiert wird: Ein Werk, das jeder schon zu kennen glaubt, wird uns in einer Form präsentiert, die wir noch nie gesehen haben.
filmhistoriker.de,
edited by olaf brill.
Last update (this page): 02 Feb 2010.
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